Entscheidungsstichwort (Thema)

Abmahnung eines Lehrers wegen Herabwürdigung von Schülerinnen und Schülern

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Lehrer, der anlässlich der Rückgabe einer Klassenarbeit im Fach Biologie gegenüber einer Geige spielenden Schülerin äußert: "Mein Tipp, konsequent weiter Geige üben, mit Bio wird 's nichts mit Geld verdienen", verstößt vor dem Hintergrund vorangegangener Gespräche mit dieser Schülerin, in deren Verlauf diese selbst das zeitaufwendige Geigenspielen im Hinblick auf eine diesbezügliche berufliche Zukunft als Grund für ihre nachlassenden Leistungen im Fach Biologie benannt hat, noch nicht gegen seine arbeitsrechtlichen Pflichten aus §§ 241 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Nr. 1 SchulG-LSA, wonach ein Lehrer Schülerinnen und Schüler unter anderem auch zur Achtung der Würde des Menschen und zur Selbstbestimmung zu erziehen hat und sie bei Umsetzung des Erziehungsauftrages nicht herabwürdigen darf; durch das Aufgreifen der Gesprächsinhalte im Kommentar zur Klassenarbeit wird der Schülerin nicht "unvorbereitet" vorgehalten, im Fach Biologie ein "hoffnungsloser Fall" zu sein, sondern vielmehr im Kern ihre eigene Aussage zu den Gründen für ihre schlechten Leistungen lediglich wiedergegeben, wobei auch die gewählte Formulierung an sich nach ihrer Wortwahl (noch) nicht geeignet ist, die Schülerin herabzuwürdigen.

2. Bei objektiver Betrachtung stellt die Aufforderung eines Lehrers an einen seiner Schüler, sich vor der versammelten Klasse "zu geißeln", eine Herabwürdigung des Schülers dar; dieser wird hierdurch der Lächerlichkeit Preis gegeben, ohne dass eine pädagogische Rechtfertigung anlässlich nicht erstellter Hausaufgaben erkennbar ist.

 

Normenkette

BGB §§ 1004, 242, 1004 Abs. 1 S. 1, § 241 Abs. 2, § 611 Abs. 1; SchulG-LSA § 1 Abs. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Halle (Saale) (Entscheidung vom 16.05.2014; Aktenzeichen 7 Ca 2512/13)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers und die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 16.05.2014 - 7 Ca 2512/13 - werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Parteien je zur Hälfte.

II. Der Tenor des Urteils des Arbeitsgerichts Halle vom 16.05.2014 wird wie folgt berichtigt:

1. Das beklagte Land wird verurteilt, die dem Kläger erteilte Abmahnung vom 06.10.2011 aus dessen Personalakte zu entfernen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

III. Die erstinstanzliche Kostenentscheidung wird wie folgt abgeändert:

2. Die Kosten des Rechtstreits tragen die Parteien mit Ausnahme der durch die Anrufung des Arbeitsgerichts Magdeburg angefallenen Kosten je zur Hälfte. Die durch die Anrufung des Arbeitsgerichts Magdeburg angefallenen Kosten werden dem Kläger auferlegt.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Entfernung zweier dem Kläger von dem beklagten Land erteilten Abmahnungen.

Der Kläger ist seit 01.08.2003 als Lehrer mit den Fächern Biologie/Sport für das beklagte Land, zurzeit am Gymnasium in B, tätig.

Das beklagte Land erteilte dem Kläger mit Schreiben vom 06.10.2011 (Bl. 13 ff d. A.) eine Abmahnung, weil der Kläger gegenüber einer Schülerin der damaligen Klasse 9a nach einem missglückten Biologievortrag, als diese weinend vor der Klasse stand, äußerte, wenn sie psychische Probleme habe, möge sie woanders hingehen. Weiter stützt das beklagte Land die Abmahnung darauf, dass der Kläger am 12.05.2011 eine Klassenarbeit im Fach Biologie an die Schüler der damaligen Klasse 9a zurückgegeben hat, obwohl aufgrund des schlechten Ergebnisses der Klassenarbeit diese nach dem Leistungsbewertungserlass dem Schulleiter vorab zur Genehmigung hätte vorgelegt werden müssen. Schlussendlich rügt das beklagte Land in der vorgenannten Abmahnung, dass der Kläger die Klassenarbeit einer Schülerin der Klasse 9a - eine talentierte Geigenspielerin - mit dem Kommentar versehen hat: "Mein Tipp, konsequent weiter Geige üben, mit Bio wird 's nichts mit Geld verdienen."

Diesem Kommentar vorausgegangen waren mehrere Gespräche zwischen dem Kläger und der Schülerin über deren schlechte Leistungen im Fach Biologie. Die Schülerin hatte hierzu erklärt, sie habe keine Zeit zum Üben für dieses Fach, weil sie ihrerseits den Schwerpunkt auf das Geigenspiel gelegt habe und erwäge, dieses zu ihrem späteren Beruf zu machen.

Eine weitere Abmahnung erteilte das beklagte Land dem Kläger mit Schreiben vom 30.11.2012 (Bl. 20 ff d. A.), weil der Kläger am 11.01.2012 den Schüler M. (Klasse 6c) aufgefordert hatte, vor die Klasse zu treten und sich zu schämen, da er die Hausaufgaben im Fach Biologie nicht angefertigt habe. M. trat darauf vor die Klasse und sah schamvoll zu Boden. Der Kläger äußerte sodann, er möge sich stärker schämen und forderte den Schüler schließlich auf: "Geißele Dich!". Nach einer Demonstration durch den Kläger, was darunter zu verstehen sei, schlug sich der Schüler selbst mit der Hand auf die Wange und wiederholte diesen Vorgang, nachdem der Kläger ihn aufgefordert hatte, sich stärker zu geißeln.

Das bek...

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