Entscheidungsstichwort (Thema)
Jubiläumsdienstzeit. Arbeitgeberwechsel. neue Bundesländer. Beschäftigungszeit
Leitsatz (amtlich)
1. Im Regelungsbereich der Übergangsvorschriften Nr. 2 und 3 zu § 19 BAT-O kommt es nicht auf die „bei demselben Arbeitgeber” i. S.v. § 19 Abs. 1 Unterabs. 1 BAT-O zurückgelegten Zeiten an, sondern auf die Tätigkeitszeiten bei einer sg. Funktionsvorgängereinrichtung in der ehemaligen DDR.
2. Ein „Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis” i. S.v. § 19 Abs. 1 Unterabs. 2 BAT-O erfordert daher im Regelungsbereich der Übergangsvorschriften ein Ausscheiden aus dem entsprechenden Funktionsbereich. Ein bloßer Arbeitgeberwechsel ist für sich genommen unschädlich (entgegen BAG vom 24.05.2000 – 10 AZR 402/99, ZTR 2001, 30).
Normenkette
BAT-O § 19; BAT (West) § 72A
Verfahrensgang
ArbG Dessau (Urteil vom 19.02.2002; Aktenzeichen 6 Ca 355/01) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird dasUrteil des ArbG Dessau vom 19.02.2002 – 6 Ca 355/01 – abgeändert.
Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin 409,03 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Diskontsatz seit dem 23.05.2001 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt das beklagte Land.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Dauer der sogenannten Jubiläumsdienstzeit der Klägerin.
Die 1942 geborene Klägerin ist bei dem beklagten Land Sachsen-Anhalt als Grundschullehrerin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der Bundesangestelltentarifvertrag Ost (BAT-O) und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in ihrer jeweiligen Fassung Anwendung.
Vor dem Beitritt der ehemaligen DDR war die Klägerin zunächst seit dem 01.08.1961 beim Rat des Kreises … als Lehrkraft tätig. 1967 und 1970 wurden ihre Kinder geboren. Mit Wirkung vom 15.01.1973 schloss die Klägerin mit dem Rat des Kreises Bernburg einen Aufhebungsvertrag (Bl. 14 d. A.). Darin heißt es u. a.:
„Begründung:
Kollegin M. verzieht nach … und nimmt dort eine Tätigkeit im Schuldienst auf.”
Seit dem 15.01.1973 war die Klägerin beim Rat des Kreises … im Bereich der Volksbildung tätig, zunächst bis zum 31.07.1973 als Erzieherin und seit dem 01.08.1973 fortdauernd bis zur Übernahme in den Dienst des beklagten Landes als Unterstufen- bzw. Grundschullehrerin (vgl. Angaben der Klägerin zur Dienstzeitberechnung vom 14.10.1992, Bl. 8 d. A., sowie Vertrag mit dem Rat des Kreises Wittenberg vom 17.04.1974, Bl. 31, 31 R der Akten).
Mit Schreiben vom 14.10.1992 (Bl. 11 d. A.) bescheinigte die Bezirksregierung … der Klägerin den Beginn ihrer Beschäftigungs- und Jubiläumsdienstzeit mit dem 01.08.1961 und die Vollendung einer 40-jährigen Dienstzeit mit dem 01.08.2001. Nach Beantragung einer Jubiläumszuwendung für die Klägerin durch ihre Schulleiterin setzte das beklagte Land den Beginn der Beschäftigungs- und Jubiläumsdienstzeit mit Schreiben vom 19.06.2001 abweichend auf den 15.01.1973 fest (Bl. 10 d. A.). Mit Schreiben vom 20.08.2001 (Bl. 12, 12 R d. A.) machte die Klägerin vergeblich die Anerkennung der Zeit seit dem 01.08.1961 geltend, wobei sie u. a. darauf hinwies, dass das beklagte Land ihr die von seinem Standpunkt aus geschuldete Jubiläumszuwendung für eine 25-jährige Dienstzeit (01.08.1998) in Höhe von 600,00 DM nicht gezahlt habe.
Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und macht geltend, dass sie ununterbrochen seit dem 01.08.1961 in der Volksbildung im Bereich des nach dem Beitritt gegründeten beklagten Bundeslandes tätig gewesen sei.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, die Zeit vom 01. August 1961 bis zum 14. Januar 1973 als Beschäftigungszeit im Sinne des § 19 BAT-O i. V. m. den Übergangsvorschriften Nr. 1 bis 4 zu § 19 BAT-O anzuerkennen.
Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und sich insbesondere auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 24.05.2000 – 10 AZR 402/99 –, ZTR 2001, 30 f berufen, wonach ein vor dem 01.01.1990 auf eigenen Wunsch erfolgter Arbeitgeberwechsel zwischen in der Übergangsvorschrift Nr. 3 zu § 19 BAT-O genannten Einrichtungen oder Betrieben in der ehemaligen DDR dazu führe, dass die Zeiten vor dem Wechsel nicht als Beschäftigungszeiten bei der Berechnung des Anspruchs auf eine Jubiläumszuwendung nach § 39 BAT-O zu berücksichtigen seien.
Das Arbeitsgericht hat aufgrund mündlicher Verhandlung vom 19.02.2002 mit Urteil vom selben Tage, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es auf den auf eigenen Wunsch der Klägerin erfolgten Arbeitgeberwechsel abgestellt. Eine unbillige Härte im Sinne von § 19 Abs. 1 BAT-O habe die Klägerin nicht dargelegt. Aus der ursprünglichen Mitteilung des Beginns ihrer Beschäftigungszeit (01.08.1961) könne die Klägerin schon deshalb keine Rechte herleiten, weil Beschäftigungszeiten, die über die tariflich anzurechnenden Zeiten hinausgingen, gemäß § 19 Abs. 4 Satz ...