(Revision eingelegt unter dem Aktenzeichen 6 AZR 501/03)

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung der Beschäftigungszeit. Lehrerin. DDR. Tarifauslegung

 

Leitsatz (amtlich)

Der auf eigenen Wunsch erfolgte Wechsel eines Angestellten vor dem 1. Januar 1991 zwischen den in der Übergangsvorschrift Nr 2 lit b zu § 19 BAT-O genannten örtlichen Staatsorganen und den ihnen nachgeordneten Einrichtungen oder Betrieben führt nicht dazu, dass die Zeiten vor dem Wechsel nicht als Beschäftigungszeit gemäß § 19 Abs 1 UAbs 1 BAT-O anzurechnen sind, solange bei dem Wechsel der Aufgaben- und Funktionsbereich des heutigen Arbeitgebers des Angestellten nicht verlassen wurde.

 

Normenkette

BAT-O § 19 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Magdeburg (Urteil vom 14.08.2002; Aktenzeichen 12 Ca 5727/01)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 14.10.2004; Aktenzeichen 6 AZR 501/03)

 

Tenor

1. Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 14. August 2002 – 12 Ca 5727/01 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Berufung trägt das beklagte Land.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Anrechnung von Zeiten früherer Tätigkeit der Klägerin als Beschäftigungszeit gemäß § 19 Abs. 1 Unterabs. 1 BAT-O.

Die am 13. Januar 1943 geborene Klägerin ist bei dem beklagten Land als Lehrerin angestellt. Sie unterrichtet in der Grundschule „…” in S. Die Klägerin besitzt die Lehrbefähigung für die unteren Klassen der allgemeinbildenden polytechnischen Oberschulen der DDR.

Die Klägerin war aufgrund eines Arbeitsvertrages mit dem Rat des Kreises S ab 1. August 1961 als Lehrerin an Schulen in S tätig. Im Jahre 1964 heiratete sie. Es wurde ihre erste Tochter geboren. Im Februar 1967 beendete der Ehemann der Klägerin sein Studium und erhielt eine Anstellung im Kraftwerk Z (Kreis G). Die Klägerin beendete das Arbeitsverhältnis mit dem Rat des Kreises S zum 31. Juli 1967 und begründete ab 1. August 1967 ein Arbeitsverhältnis mit dem Rat des Kreises G. Sie unterrichtete an einer Schule in Z. Am 1. Oktober 1969 wurde die zweite Tochter der Klägerin geboren. Diese musste wegen einer Herzerkrankung im Februar 1970 im Klinikum der Martin-Luther-Universität Halle stationär behandelt und am 12. Oktober 1970 in der Charité Berlin operiert werden. Am 17. November 1970 vereinbarten die Klägerin und der Rat des Kreises G einen Aufhebungsvertrag, der folgenden Wortlaut hat:

„Im gegenseitigen Einvernehmen wird das bestehende Arbeitsverhältnis zwischen der Abteilung Volksbildung beim Rat des Kreises G und der Kollegin V mit Wirkung vom 1.11.1970 gelöst.

Begründung:

Der Gesundheitszustand des Kindes läßt eine Arbeit zur Zeit nicht zu. Die Kollegin bittet nach Ablauf der Krankheit wieder in den Schuldienst aufgenommen zu werden (wahrscheinlich zum Schuljahr 73/74). Die Urkunde der zusätzlichen Altersversorgung der Lehrer wurde abgegeben.”

Vom 1. September 1972 bis zum 31. Juli 1975 war die Klägerin aufgrund ihres am 20. Oktober 1972 mit dem Rat des Kreises G abgeschlossenen Arbeitsvertrages als Lehrerin an der Polytechnischen Oberschule in Z tätig. Am 15. Mai 1974 nahm der Ehemann der Klägerin einen Arbeitsplatzwechsel nach S vor. Die Klägerin beendete ihr Arbeitsverhältnis mit dem Rat des Kreises G zum 31. Juli 1975 und begründete ab 1. August 1975 ein Arbeitsverhältnis mit dem Rat des Kreises S. Sie ist seitdem bis zur Übernahme in den Dienst des beklagten Landes in S an der Polytechnischen Oberschule „…” (heutige Grundschule „…”) als Lehrerin tätig gewesen.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet aufgrund beiderseitiger Organisationszugehörigkeit der Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) vom 10. Dezember 1990 Anwendung.

In § 19 BAT-O und den dazugehörigen Übergangsvorschriften (nachfolgend: ÜV zu § 19 BAT-O) heißt es, soweit vorliegend von Interesse:

§ 19 BAT-O Beschäftigungszeit

(1) Beschäftigungszeit ist die bei demselben Arbeitgeber nach Vollendung des 18. Lebensjahres in einem Arbeitsverhältnis zurückgelegte Zeit, auch wenn sie unterbrochen ist. Zeiten einer Tätigkeit im Sinne des § 3 Buchst. n werden nicht berücksichtigt.

Ist der Angestellte aus seinem Verschulden oder auf eigenen Wunsch aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden, so gilt die vor dem Ausscheiden liegende Zeit nicht als Beschäftigungszeit, es sei denn, dass er das Arbeitsverhältnis wegen eines mit Sicherheit zu erwartenden Personalabbaues oder wegen Unfähigkeit zur Fortsetzung der Arbeit infolge einer Körperbeschädigung oder in Ausübung oder infolge seiner Arbeit erlittenen Gesundheitsschädigung aufgelöst hat oder die Nichtanrechnung der Beschäftigungszeit aus sonstigen Gründen eine unbillige Härte darstellen würde.

(2) Übernimmt ein Arbeitgeber eine Dienststelle oder geschlossene Teile einer solchen von einem Arbeitgeber, der von diesem Tarifvertrag erfasst wird oder diesen oder einen Tarifvertrag wesentlich gleichen Inhalts anwendet, so werden die bei der Dienststelle bis zur Übernahme zurückgelegten Zeiten nach Maßgabe des Abs...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge