Entscheidungsstichwort (Thema)

Angemessene Verfahrensdauer von Gerichtsprozessen. Erfolglose Entschädigungsklage bei Verfahrensdauer von zwei bis drei Jahren für zwei Instanzen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Angemessenheit einer Verfahrensdauer richtet sich nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Dem Gericht muss auf jeden Fall eine ausreichende Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung trägt.

2. Eine Verfahrensdauer von drei Jahren für zwei Instanzenzüge ist nicht als unangemessen lang anzusehen. Die Komplexität eines Eingruppierungsstreits und auch eine angespannte personelle Situation am Gericht sind keine außergewöhnlichen Ursachen für eine besonders lange Verfahrensdauer. Der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist zu entnehmen, dass vorbehaltlich solcher besonderer Umstände eine Verfahrensdauer von eineinhalb bis zu zwei Jahren je Instanz in der Regel nicht gegen Art. 6 EMRK verstößt.

 

Normenkette

GVG § 198 Abs. 1; EMRK Art. 6 Abs. 1; GG Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3; GVG § 198 Abs. 6 Nr. 1, § 201 Abs. 2 S. 1

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine Entschädigung nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wegen vermeintlich unangemessener Dauer des Verfahrens vor dem Arbeitsgerichts Magdeburg, Aktenzeichen 6 Ca 1828/15 E und des Berufungsverfahrens vor dem Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt mit dem ursprünglichen Aktenzeichen 6 Sa 281/16 E, das durch Präsidiumsbeschluss 7/17 vom 26.09.2017 in den Zuständigkeitsbereich der 2. Kammer übergegangen ist (Az.: 2 Sa 281/16 E).

Der beigezogenen Verfahrensakte 6 Ca 1828/15 E (2 Sa 281/16 E) lässt sich folgender Verfahrensgang entnehmen:

Mit seiner am 07.07.2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen Eingruppierungsfeststellungsklage begehrte der Kläger eine Eingruppierung in eine höhere Entgeltgruppe. Die Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht fand nach Verlegung des ursprünglich auf den 30.07.2015 bestimmten Termins auf Antrag des Beklagtenvertreters am 13.08.2015 statt. In der Güteverhandlung wurde den Parteien aufgegeben, auf das jeweilige wechselseitige Vorbringen innerhalb bestimmter Fristen zu erwidern. Nachdem der ursprünglich mit Verfügung vom 09.11.2015 auf den 21.04.2016 bestimmte Termin zur Kammerverhandlung mit Verfügung vom 08.02.2016 aus dienstlichen Gründen auf den 14.07.2016 verlegt worden ist, wies das Arbeitsgericht die Klage mit Urteil vom 14.07.2016 ab.

Gegen das dem Kläger am 25.07.2016 zugestellte Urteil legte der Kläger mit Schriftsatz vom 18.08.2016 bei dem Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Berufung ein. Auf Antrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers verlängerte das Landesarbeitsgericht die Frist zur Berufungsbegründung bis zum 25.10.2016. Die am 25.10.2016 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangene Berufungsbegründung wurde dem Prozessbevollmächtigten des beklagten Landes am 02.11.2016 zugestellt. Nach Bewilligung des Antrages auf Fristverlängerung zur Beantwortung der Berufung bis zum 09.01.2017 beantwortete der Prozessbevollmächtigte des beklagten Landes die Berufung mit seinem Schriftsatz vom 09.01.2017 und begründete seinen Antrag auf Zurückweisung der Berufung. Die Berufungsbeantwortung wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 18.01.2017 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 01.06.2017 bat der Prozessbevollmächtigte des Klägers dem Verfahren Fortgang zu geben und Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen.

Mit Schreiben vom 02.06.2017 teilte der Vertreter des seit Mai 2016 für einen zunächst unabsehbaren Zeitraum erkrankten planmäßigen Vorsitzenden der 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts mit, dass der planmäßige Vorsitzende die Kammer voraussichtlich ab dem Monat Juli 2017 wieder übernehmen wird und nach dem Geschäftszeichen damit zu rechnen sei, dass das Verfahren im IV. Quartal 2017 verhandelt werde.

Mit Schriftsatz vom 09.11.2017 erhob der Prozessbevollmächtigte des Klägers eine Verzögerungsrüge gemäß § 198 GVG.

Mit Verfügung vom 15.11.2017 bestimmte der Vorsitzende der 2. Kammer unter gleichzeitiger Mitteilung, dass der Rechtsstreit gemäß Präsidiumsbeschluss 7/17 vom 26.09.2017 in den Zuständigkeitsbereich der 2. Kammer übergegangen ist, Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer auf den 07.06.2018. Der Vorsitzende der 2. Kammer war und ist Vizepräsident LAG ..., der 2017 auch Vorsitzender der 6. Kammer war. Vizepräsident LAG ... befand sich vom 03.04.2017 bis 29.09.2017 in einer stufenweisen Wiedereingliederung.

Am Schluss der mündlichen Verhandlung am 07.06.2018 verkündete das Landesarbeitsgericht sein Urteil, mit dem es das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 14.07.2016 teilweise unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgeändert hat. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 04.07...

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