Verfahrensgang

ArbG Halle (Saale) (Urteil vom 17.01.1995; Aktenzeichen 5 Ca 2901/94)

 

Tenor

1. Auf die Berufung wird dasUrteil desArbeitsgerichts Halle vom17.01.1995 – 5 Ca 2901/94 – abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 10.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit 06.07.94 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin war seit dem 21.06.1973 bei dem Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgänger als Reinigungskraft in Lohngruppe 1 des BMTG-O bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden beschäftigt. Sie verdiente zuletzt 2.342,20 DM brutto.

Mit Schreiben vom 20.12.1993, auf das wegen der näheren Einzelheiten Bezug genommen wird, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis aus bedarfsbedingten Gründen zum 31.03.1994 und bot der Klägerin gleichzeitig die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden an. Die Reduzierung der Arbeitszeit hätte für die Klägerin eine finanzielle Einbuße von etwa 500,00 DM monatlich ergeben. Die Klägerin nahm das Angebot nicht an mit der Folge, daß das Arbeitsverhältnis zum 31.03.1994 auslief.

Die tarifgebundene Klägerin ist der Auffassung, ihr stehe nach dem Tarifvertrag zur sozialen Absicherung vom 06.07.1992 (TVSozSich) eine Abfindung in Höhe von 10.000,00 DM zu. Dieser Betrag ist rechnerisch unstreitig.

Die Klägerin hat beantragt.

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 10.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, der Abfindungsanspruch der Klägerin sei mit Rücksicht auf die Ablehnung des Änderungsangebots ausgeschlossen.

Mit Urteil vom 17.01.1995 hat das Arbeitsgericht Halle die Klage abgewiesen. Gegen dieses ihr am 16.02.1995 zugestellte Urteil richtet sich die am 15.03.1995 eingelegte und am 10.04.1995 begründete Berufung der Klägerin. Die Klägerin ist nach wie vor der Meinung, ihr stehe die Abfindung zu.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 17.01.1995 – 5 Ca 2901/94 – abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 10.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigheit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil nach näherer Maßgabe der Berufungserwiderung vom 03.05.1995

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung einer Abfindung nach § 2 TVSozSich in der eingeklagten, rechnerisch unstreitigen Höhe.

1. Die Klägerin erfüllt die Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 Abs. 1 Buchst. a TVSozSich. Die Berufungskammer folgt insoweit den Gründen des angefochtenen Urteils (§ 543 Abs. 1 ZPO):

Der Beklagte hat das Arbeitsverhältnis der Parteien gekündigt. Darauf, daß der Klägerin nach Ablauf der Kündigungsfrist die Weiterbeschäftigung zu geänderten Bedingungen angeboten worden ist, kommt es nicht an. Denn die Änderungskündigung ist eine echte Kündigung in dem Sinn, daß sie die Beendigung des gesamten Arbeitsverhältnisses bewirken kann (vgl. nur KR-Rost, 4. Auflage. § 2 KSchG Rz. 9 m. w. N.). Die Klägerin war nicht verpflichtet, das Änderungsangebot anzunehmen. Die Kündigung ist auch unstreitig wegen mangelnden Bedarfs erfolgt. Voraussetzung ist nicht, daß überhaupt kein Bedarf mehr an der Tätigkeit der Klägerin bestand. Es reicht aus, daß die Klägerin nicht mehr im bisherigen Umfang verwendbar war. Andere Kündigungsgründe als der eines mangelnden Bedarfs sind nicht geltend gemacht.

2. Der Anspruch ist nicht gemäß § 2 Abs. 5 Buchst. a TVSozSich ausgeschlossen. Gemäß § 2 Abs. 5 Buchst. a TVSozSich steht eine Abfindung nicht zu,

„wenn die Kündigung aus einem vom Arbeitnehmer zu vertretenden Grund (z. B. Ablehnung eines anderen angebotenen Arbeitsplatzes, es sei denn, daß ihm die Annahme nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten billigerweise nicht zugemutet werden kann) erfolgt ist …”

Die Klägerin hat die Kündigung nicht mit Rücksicht darauf zu vertreten, daß sie die ihr angebotene Teilzeitbeschäftigung (bzw. die angebotene Verringerung des bisherigen Umfangs der Arbeitszeit) auf ihrem bisherigen Arbeitsplatz abgelehnt hat.

a) Die Klägerin hat die Kündigung schon deshalb nicht wegen der Nichtannahme des Änderungsangebotes zu vertreten, weil die Ablehnung nicht kausal für den Ausspruch der Kündigung war. Der Klägerin ist vor Ausspruch der Kündigung kein entsprechendes Änderungsangebot unterbreitet worden. Das gilt als unstreitig (§ 138 Abs. 2 ZPO). Der Vortrag des Beklagten in der letzten mündlichen Verhandlung, es habe nach seiner Kenntnis sehr wohl vorherige Gespräche und Angebote gegeben, ist nicht einlassungsfähig substantiiert. Die Ablehnung eines Änderungsangebotes war mithin nicht ursächlich für den Ausspruch der Kündigung. Die Kündigung kann daher schon deswegen nicht von der Klägerin zu vertreten sein.

b) Selbst wenn man von Vorstehendem absieht, weil un...

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