Verfahrensgang
ArbG Halberstadt (Urteil vom 15.02.1996; Aktenzeichen 2 Ca 132/95) |
Tenor
Die Berufung des beklagten Landes gegen dasUrteil desArbG Halberstadt vom15.02.1996 – 2 Ca 132/95 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, die das beklagte Land wegen früherer Tätigkeit des Klägers für das Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen DDR (MfS) sowie wegen unzutreffender Angaben hierüber ausgesprochen hat.
Der 1948 geborene, verheiratete und für 3 Kinder unterhaltspflichtige Kläger war seit 1979 in der ehemaligen DDR als Lehrer für Sport und Geographie, später auch für Gesellschaftskunde tätig. Nach der Übernahme in den Schuldienst des beklagten Landes war er zuletzt an einer Sekundarschule als teilzeitbeschäftigter Lehrer zu einem monatlichen Bruttoeinkommen in Höhe von 2.800,00 DM tätig.
Unter dem 12.04.1991 verneinte der Kläger anläßlich seiner Übernahme in den Landesdienst in einem Personalbogen und einer Selbstauskunft die Fragen danach, ob er Mitarbeiter des MfS oder Amtes für Nationale Sicherheit (AfNS) gewesen sei oder ob er jemals offiziell oder informell, hauptamtlich oder in anderer Art und Weise mit dem ehemaligen MfS/AfNS zusammengearbeitet habe. Am gleichen Tage versicherte er in einem ihm vorgelegten Bewerbungsbogen „nach bestem Wissen und Gewissen”, daß er kein Mitarbeiter oder Informant des ehemaligen MfS/AfNS gewesen sei, keinerlei Gelder von diesen Institutionen erhalten und bewußt auch keine Informationen denunzierenden Charakters zur Verwendung durch das MfS/AfNS gegeben habe.
Am 01.06.1992 versicherte der Kläger im Zusammenhang mit der Anerkennung seiner Vordienstzeiten erneut, kein Mitarbeiter des MfS/AfNS gewesen zu sein.
Ende Dezember 1993 wurde der Kläger als Mitglied der Stadtverordnetenversammlung der Stadt … anhand einer Auskunft des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (im folgenden: Bundesbeauftragter) auf eine frühere Mitarbeit beim MfS hin überprüft.
Ausweislich der Unterlagen des MfS war der Kläger in der Zeit vom 30.07.1975 bis zum 18.08.1980 als Inoffizieller Mitarbeiter zur Sicherung der Konspiration/konspirative Wohnung (IMK/KW) erfaßt. In einer handschriftlichen Erklärung vom 30.07.1975 hatte er sich dazu verpflichtet, dem MfS ein Zimmer für konspirative Zwecke in seiner Wohnung zur Verfügung zu stellen und über alle Probleme und Wahrnehmungen, die die staatliche Sicherheit betreffen, unter Decknamen zu berichten. In der Folge hatte er 2 Berichte verfaßt, von denen der eine (vom 12.01.1976) seine Situation nach Aufnahme einer Tätigkeit als Sportinstrukteur bei den … und der andere (vom 16.10.1976) die allgemeine Lage in diesem Werk vor der Wahl zur Volkskammer- und zum Bezirkstag betrafen. Das letzte dokumentierte Treffen hatte am 16.01.1979 stattgefunden. Die Zusammenarbeit war auf Veranlassung des Klägers beendet worden. Er hatte geäußert, das für konspirative Zwecke genutzte Treffzimmer im Rahmen einer Rekonstruktion seiner Wohnung zum Kinderzimmer umbauen zu wollen, und darüber hinaus auch aus zeitlichen Gründen um Entlastung von der Zusammenarbeit gebeten.
Ein bei der Stadtverordnetenversammlung gebildeter Ausschuß befand, daß der Kläger weder seine Akte offen legen noch sein Mandat zurückgeben müsse, da eine Schädigung Dritter oder eine Bereicherung nicht festgestellt werden könnten.
Am 30.03.1994 informierte der Kläger den Schulrat über den Inhalt seiner Akte beim Bundesbeauftragten. In der Folgezeit eröffnete sich der Kläger dem Direktor seiner Schule, dem örtlichen Personalrat und dem Kollegium über seine Verstrickung.
Am 28.04.1994 erschienen Presseberichte über den Kläger und seine Vergangenheit. Am 03.05.1994 unterrichtete der Kläger auch den Leiter des Dezernates 41 des Regierungspräsidiums. Die Aufforderung, sich beurlauben zu lassen, wies er mit Rücksicht auf bevorstehende Abschlußprüfungen seiner Schüler zurück. Zu Beginn des Folgeschuljahres 1994/95 wurde er an eine andere Schule abgeordnet.
Am 29.08.1994 ging beim beklagten Land die Auskunft des Bundesbeauftragten ein. In der darauf erfolgten Anhörung am 15.09.1994 gab der Kläger an, daß er bei der wahrheitswidrigen Beantwortung der Frage nach seiner MfS-Vergangenheit nicht von einer schwerwiegenden Verstrickung ausgegangen sei. Er habe aus Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes und in Verantwortung für seine Familie geschwiegen. Im Jahre 1992 sei hinzugekommen, daß seine Ehefrau gerade eine Kündigung wegen mangelnden Bedarfs erhalten hatte.
Der mit Schreiben vom 19.09.1994 zu einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Klägers angehörte Lehrerbezirkspersonalrat (LBPR) lehnte eine Zustimmung zu den Maßnahmen mit der Begründung ab, daß bei Bewertung der wahrheitswidrigen Selbstauskunft des Klägers dessen Unterhaltspflichten berücksichtigt werden müßten. Bei wahrheitsgemäßer Beantwortung der Selbstauskunft hätte der Kläger – wie ...