Verfahrensgang
ArbG Magdeburg (Urteil vom 12.06.1997; Aktenzeichen 2 Ca 1683/96) |
Tenor
Auf die Berufung des beklagten Landes wird dasUrteil desArbeitsgerichts Magdeburg vom12.06.1997 – 2 Ca 1683/96 – unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung des beklagten Landes vom 16.07.1996 nicht aufgelöst worden ist.
Hinsichtlich der ordentlichen Kündigung wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen zu 2/3 der Kläger und zu 1/3 das beklagte Land.
Die Revision wird für den Kläger zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen und hilfsweise ordentlichen Kündigung, die das beklagte Land wegen der Tätigkeit des Klägers für das Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen DDR (im folgenden MfS) und wegen wahrheitswidriger Angaben darüber ausgesprochen hat.
Der Kläger (… verheiratet, 1 Kind) war seit August 1984 in der ehemaligen DDR als Lehrer tätig. Mit dem Beitritt wurde er in den Dienst des beklagten Landes übernommen und arbeitete zuletzt als Lehrer für Chemie und Biologie an der Sekundarschule
Anläßlich der Übernahme in den Landesdienst erklärte der Kläger am 08.04.1991 in verschiedenen Personal unter lagen, weder hauptamtlicher noch inoffizieller Mitarbeiter des MfS gewesen zu sein, und versicherte dies „nach bestem wissen und Gewissen”.
Am 22.02.1996 erhielt das beklagte Land einen Einzelbericht des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (im folgenden Gauck-Behörde) über den Kläger. Danach war dieser vom 11.05.1979 bis zum 17.10.1980 während seines Grundwehrdienstes bei der Nationalen Volksarmee als Informeller Mitarbeiter für Sicherheit (im folgenden IMS) beim MfS erfaßt. Aufgrund einer handschriftlichen Verpflichtungserklärung lieferte er in der Zeit von Mai 1979 bis Juli 1980 6 handschriftliche Berichte über Kameraden unter dem Decknamen „Fuchs”. Wegen der Einzelheiten der Berichte wird auf Bl. 31–33 und Bl. 61–65 d.A. Bezug genommen.
Am 28.02.1996 hörte das beklagte Land den Kläger zu dem Ergebnis der Gauck-Auskunft an. Am 18.03.1996 stimmt der beim beklagten Land bestehende Vertrauensrat der beabsichtigten Entlassung des Klägers zu. Mit Schreiben vom 02.07.1996 unterrichtete das Land den zuständigen Lehrerbezirkspersonalrat (im folgenden: LBPR) über die beabsichtigte außerordentliche Kündigung und beantragte gleichzeitig vorsorglich – unter Abkürzung der Frist zur Stellungnahme auf eine Woche – die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung. Der LBPR erhob wegen der beabsichtigten fristlosen Kündigung Bedenken; zur hilfsweisen ordentlichen Kündigung äußerte er sich nicht. Mit Schreiben vom 15.07.1996 kündigte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis der Parteien fristlos und hilfsweise ordentlich zum 31.12.1996.
Mit seiner am 26.07.1996 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, daß die außerordentliche Kündigung bereits wegen Versäumung der 2-Wochenfrist aus § 626 Abs. 2 BGB unwirksam sei. Darüber hinaus ermangele es außerordentlicher wie ordentlicher Kündigung an einem ausreichenden Kündigungsgrund. Seine Tätigkeit für das MfS sei als geringfügig einzuschätzen, da sie nur 6 handschriftliche Berichte aus einem Zeitraum von insgesamt 15 Monaten umfasse. Er habe Kameraden nicht ernstlich belastet und sich einem Kameraden gegenüber offenbart. Die Zusammenarbeit mit dem MfS habe ihm sein dienstlicher Vorgesetzter als Offizier in Uniform mit dem Hinweis angetragen, daß er ansonsten nicht studieren könne. Verpflichtungserklärung und Berichte habe ihm der Führungsoffizier diktiert. Zudem müsse seine Lage als Wehrdienstpflichtiger in einem besonderen Gewaltverhältnis und sein jugendliches Alter von 20 bzw. 21 Jahren berücksichtigt werden. Über die kurzzeitige Zusammenarbeit mit dem MfS hinaus habe er sich weder vor noch nach dem Beitritt der ehemaligen DDR in irgendeiner Weise verhalten, die seiner Weiterbeschäftigung als Lehrer entgegenstehe. Die Verneinung der Frage nach einer Zusammenarbeit mit dem MfS in den Personalunterlagen im Jahre 1991 sei nicht vorsätzlich wahrheitswidrig erfolgt. Vielmehr habe er die damalige Tätigkeit im Zusammenhang mit seinen Pflichten als NVA-Angehöriger gesehen. Hinsichtlich der ordentlichen Kündigung hat der Kläger darüber hinaus geltend gemacht, daß die Abkürzung der Frist zur Stellungnahme für den Personalrat ohne ausreichenden Grund erfolgt sei.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 15.07.1996 eingegangen am 18.07.1996, sowie durch die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 15.07.1996 nicht aufgelöst worden ist.
Das Arbeitsgericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 20.02.1997 gegen die säumige Beklagtenpartei antragsgemäß ein Versäumnisurteil erlassen. Diese hat gegen das ihr am 05.03.1997 zugestellte Versäumnisurteil am 27.02.1997 Ei...