Entscheidungsstichwort (Thema)
Jubiläumszuwendung aufgrund verdrängender Konzernbetriebsvereinbarung. Zuständigkeit des Konzernbetriebsrates zum Abschluss konzerneinheitlicher freiwilliger Leistungen. Rechtswidrige Ungleichbehandlung bei Herausnahme einzelner Konzernunternehmen von der Gewährung freiwilliger Leistungen zur Belohnung der Betriebstreue
Leitsatz (redaktionell)
1. Hat die Konzernleitung durch Abschluss einer Konzernbetriebsvereinbarung zum Ausdruck gebracht, dass sie freiwillige Leistungen nur noch konzerneinheitlich gewähren will, ist damit die originäre Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats begründet; es liegt ein Fall der subjektiven Unmöglichkeit der Regelung auf der Ebene der Betriebsräte vor.
2. Eine vom Konzernbetriebsrat in seiner originären Zuständigkeit abgeschlossene Konzernbetriebsvereinbarung verdrängt eine vom Gesamtbetriebsrat oder von den einzelnen Betriebsräten abgeschlossene Betriebsvereinbarung über denselben Regelungsgegenstand.
3. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist auch auf konzernweite Regelungen anzuwenden; jedenfalls dann, wenn eine verteilende Entscheidung der Arbeitgeberin nicht auf einen einzelnen Betrieb beschränkt ist sondern sich auf alle oder mehrere Betriebe des Unternehmens bezieht, ist der Gleichbehandlungsgrundsatz betriebsübergreifend zu gewährleisten.
4. Die Konzernleitung eröffnet den Anwendungsbereich des § 75 Abs. 1 BetrVG allein dadurch, dass sie eine Regelung auf Konzernebene mit dem Konzernbetriebsrat getroffen hat; gerade durch die von ihrem Willen abhängige Zuständigkeitsbegründung des Konzernbetriebsrats hat sie zum Ausdruck gebracht, dass sie auf dieser Ebene eine Regelung für alle konzernangehörigen Beschäftigten anstrebt.
5. Betreffen die in einer Konzernbetriebsvereinbarung geregelten Tatbestände zu Jubiläumszahlungen und Mitarbeiterereignissen, jeweils geknüpft an bestimmte Betriebszugehörigkeitszeiten, grundsätzlich alle Beschäftigten der Unternehmensgruppe gleich, kann eine Sonderzahlung ohne Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz einer Gruppe von Beschäftigten gleichwohl vorenthalten werden, wenn sie ausschließlich dem Ausgleich von Nachteilen derjenigen dient, die mit der Arbeitgeberin ungünstigere Regelungen vereinbart haben.
6. Kommt bei freiwilligen Leistungen aus Anlass von Jubiläen und bestimmten Ereignissen, deren Höhe in den meisten Fällen von der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängig ist, der Zweck, die Betriebstreue zu honorieren, bei allen konzernangehörigen Unternehmen gleichermaßen zum Tragen, verstößt die Arbeitgeberin gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn sie in einer Konzernbetriebsvereinbarung eine Gruppenbildung vornimmt, mit der zwei Unternehmen der Unternehmensgruppe aus dem Anwendungsbereich herausgenommen werden, und es sich nach dem erkennbaren Leistungszweck nur um einzelne Belohnungen für gezeigte Betriebstreue handelt, die nicht einmal von einer Arbeitsleistung abhängig sind.
Normenkette
BetrVG § 58 Abs. 1 S. 1, § 75 Abs. 1, § 77 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Dessau (Entscheidung vom 06.11.2012; Aktenzeichen 8 Ca 5/12) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dessau-Roßlau vom 6. November 2012 - 8 Ca 5/12 - abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 250,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. März 2011 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung einer Jubiläumszuwendung.
Der 1968 geborene Kläger ist seit dem 12. Februar 1996 bei der Beklagten als Kraftfahrer beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis liegt der schriftliche Arbeitsvertrag vom 09. Juli 2002 nebst Nachtrag vom selben Tage (Bl. 20 - 22 d. A.) zugrunde. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses handelte es sich bei der Beklagten um einen kommunalen Entsorgungsbetrieb. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit und arbeitsvertraglicher Inbezugnahme die Bestimmungen des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe-Ost (BMT-GO) und die diese ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Mit Schreiben vom 24. Oktober 2005 (Bl. 56 f. d. A.) informierte die Beklagte ihre Arbeitnehmer über die "Überleitung Ihres Beschäftigungsverhältnisses in den TVöD" und wies darin u.a. darauf hin, dass Grundlage für die Überleitung der entsprechende Tarifvertrag für die Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber sei. Zu einem nicht näher genannten Zeitpunkt übernahm die T Unternehmensgruppe die Beklagte. Aufgrund dieser Übernahme erfolgte die Umbenennung in die jetzige Firma der Beklagten, die am 3. Dezember 2008 in das Handelsregister eingetragen worden ist.
Mit Datum 29. Oktober 2008 schlossen die T GmbH & Co. KG und der Gesamtbetriebsrat der T Unternehmun...