Verfahrensgang
ArbG Dessau (Urteil vom 05.08.1994; Aktenzeichen 10 Ca 145/94) |
Tenor
Die Berufung des beklagten Landes gegen dasUrteil desArbeitsgerichts Dessau vom05.08.1994 – 10 Ca 145/94 – wird auf Kosten des beklagten Landes zurückgewiesen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die ihm am 30.12.1993 zugegangene, auf Abs. 4 Nr. 1 EV wegen mangelnder persönlicher Eignung gestützte Kündigung des beklagten Landes vom 28.12.1993 zum 31.03.1994.
Der Kläger ist am … geboren. Nach Ende der Lehrzeit leistete er vom 02.07.1958 bis zum 17.05.1960 Wehrdienst bei der NVA. Der Kläger war dort zu einer Nachrichteneinheit abkommandiert.
Nach dem Einzelbericht zum Schreiben des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR an das Kultusministerium des beklagten Landes vom 22.11.1993 ergibt sich aus den überprüften Unterlagen folgendes:
Der Kläger unterschrieb danach am 16.12.1958 eine Verpflichtungserklärung mit folgendem Wortlaut:
„Ich … verpflichte mich, den Vertreter des MfS bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen.
Ich weiß, daß die imperialistischen Mächte bestrebt sind, den Aufbau und die Errungenschaften der Werktätigen der DDR zu stören und zu vernichten.
Ich verpflichte mich deshalb, jedes mir zur Kenntnis gelangende Anzeichen über geplante oder durchgeführte Verbrechen, die sich gegen die DDR richten, ohne Ansehen der Person den Vertreter des MfS Mitteilung zu machen und seinen Anweisungen Folge zu leisten. Ich verpflichte mich, über die Zusammenarbeit mit dem Vertreter des MfS zu keiner Person zu sprechen, auch gegenüber meinen nächsten Angehörigen Stillschweigen zu bewahren.
Ich bin mir bewußt, daß ich bei Nichteinhaltung der Schweigepflicht nach den Gesetzen der DDR bestraft werden kann. Meine Berichte werde ich schriftlich geben und mit der Bezeichnung … unterschreiben.
Als Losungswort wurde „…” vereinbart.
Unterschrift Kläger”
Dem Bericht zufolge war der Kläger an diesem Tag ohne vorherige Kontaktgespräche unter einem Vorwand zum Führungsoffizier bestellt worden. Dieser habe sich erst im Laufe des Gesprächs als Angehöriger des MfS vorgestellt. Erst die anschließende massive politisch-ideologische Argumentation des Führungsoffiziers habe den Kläger dazu gebracht, seine Bereitschaft zur inoffiziellen Zusammenarbeit mit dem Staatssicherheitsdienst zu erklären. Ausschlaggebend für die sofortige Anfertigung einer schriftlichen Verpflichtung durch den Kläger sei folgende Argumentation des Führungsoffiziers gewesen: „Damit auch wir” (das MfS) „gegen ihn” (den IM) „gedeckt sind, solle er eine Verpflichtung unterschreiben, die im wesentlichen der der NVA gleichkommt.” Danach habe sich der Kläger sofort einverstanden erklärt, eine solche handschriftlich niederzulegen.
Laut dem Einzelbericht zum Schreiben des Bundesbeauftragten vom 22.11.1993 ergibt sich aus den überprüften Unterlagen weiter, daß der Kläger vom 16.12.1958 bis zum 15.09.1960 als IM erfaßt war. Für die gesamte Dauer der IM-Tätigkeit lägen zwei kurze Treffberichte vom 03.09.1959 und vom 07.03.1960 vor. Die drei handschriftlichen Berichte des Klägers hätten nur allgemeinen Informationswert für den Staatssicherheitsdienst. In der Abschlußbeurteilung vom 25.08.1960 werde die äußerst geringe Zusammenarbeit zwischen dem Kläger und dem Staatssicherheitsdienst mit „Abkommandierungen” der Führungsoffiziere bzw. des Klägers begründet. Als Grund für die vorzeitige Entlassung des Klägers werde in der Abschlußbeurteilung die Zulassung zum Studium genannt.
Zur Prozeßakte ist ein handschriftlicher Bericht vom 07.03.1960 mit folgendem Wortlaut gelangt.
„Zentrale
Da ich die letzte Zeit nicht auf der Zentrale tätig war, kann ich darüber nicht viel berichten. Meine Eindrücke über die Zusammenarbeit der Frauen sind, daß ein Gegensatz zwischen Frau … und Frau … sowie Frau … besteht. Die Ursache konnte ich noch nicht feststellen. Doch glaube ich, daß es noch mit Frau … zusammensteht und es sich um die Neuerergeschichte handelt. Über den Zustand der Zentrale kann ich berichten, daß sie sich nicht in bestem Zustand befindet. Teils ist es die Schuld der dort arbeitenden, doch ist die Hauptursache bei den Gen. zu suchen, die dort angelernt werden, da sie an den Schrank allein arbeiten müssen, wo sie ihn noch nicht einmal richtig kennen. Auch glaube ich trifft den Mechanikern die Schuld da sie auch nur immer das anfassen was unbedingt gemacht werden muß. Über das Mithören ist mir persönlich noch nichts aufgefallen, da man das ja nicht ohne weiteres kann und dieses dann nur in der Nachtschicht getan werden kann da nur einer allein arbeitet. Über westliche Verbindungen ist mir noch nichts bekannt geworden. Auch über die Sender im Radio konnte ich noch keine anderen Sender feststellen.
Nach dem Studium arbeitete der Kläger ab 01.08.1965 bis 1967 als Lehrer für Sport und Geschichte an der Oberschule in … Während dieser Zeit war der Kläger, der seit 1961 der SED angehörte, Sekretär der SPO. Von 1967 bis 1968 wurde der Kläger an die Bezirksparteisc...