Entscheidungsstichwort (Thema)
Streichung von Stellen im Haushaltsplan. Kw-Vermerk als betrieblicher Kündigungsgrund
Leitsatz (redaktionell)
1. Der eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigende Entschluss den Betrieb stillzulegen, muss im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits gefasst sein. Daran fehlt es, wenn zu diesem Zeitpunkt noch ernsthaft über die Veräußerung des Betriebs verhandelt und deswegen nur vorsorglich mit der Begründung gekündigt wird, der Betrieb solle nur stillgelegt werden, falls eine Veräußerung scheitere. Kommt es dann innerhalb der Kündigungsfrist noch zu einem Betriebsübergang gem. § 613a Abs. 1 S. 1 BGB, so spricht eine tatsächliche Vermutung gegen eine ernsthafte und endgültige Stilllegungsabsicht des Unternehmers im Zeitpunkt der Kündigung.
2. Das Ausbringen eines kw-Vermerks bezüglich einer Personalstelle in einem Haushaltsplan stellt noch kein dringendes betriebliches Erfordernis für eine Kündigung gem. § 1 Abs. 2 KSchG dar, wenn keine Frist für den Wegfall der Stelle angegeben wird.
3. Ein betriebsbedingtes Erfordernis für eine Kündigung i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG ist dagegen anzunehmen, wenn im öffentlichen Dienst durch den Haushaltsplan bestimmte, nach sachlichen Merkmalen bezeichnete Stellen gestrichen oder organisatorische Maßnahmen getroffen werden, aufgrund derer bestimmte Stellen entfallen, z.B. eine Stellenstreichung im Haushaltsplan aufgrund eines Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2; BGB § 613a Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Magdeburg (Urteil vom 03.07.2003; Aktenzeichen 10 Ca 1050/03) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der beklagten Stadt gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 3.7.2003 – 10 Ca 1050/03 – wird zurückgewiesen.
2. Die beklagte Stadt trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten insbesondere über die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung der beklagten Stadt gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 3.3.2003 zum 30.9.2003. In dem vorgenannten Kündigungsschreiben heißt es u.a.:
„… Ordentliche Kündigung
Sehr geehrte Frau D.
auf der 58. (III) Sitzung des Stadtrates am 12.12.2002 wurde die Anbringung von kw-Vermerken zum 30.6.2003 im Stellenplan 2003 für die von der Vergabe der Leistungen für Reinigung, Essenausgabe und Küchenarbeiten an private Dienstleister betroffenen Stellen beschlossen.
Alle noch vorhandenen Stellen Reinigungskräfte, Reinigungskräfte mit Essenausgabe, Küchenhilfen und Küchenhilfen mit Zuarbeit und Reinigung fallen zum 30.6.2003 weg.
Ich kündige daher Ihr Arbeitsverhältnis gemäß § 50, Abs. 2 BMT-GO und nach ordnungsgemäßer Beteiligung des zuständigen Personalrates zum 30.9.2003.
Nach Vergabe der Leistungen, voraussichtlich im Mai 2003, wird Ihnen ein Weiterbeschäftigungsangebot bei einem privaten Dienstleister unterbreitet. Sofern Sie das Angebot annehmen, werde ich die Kündigung zurücknehmen. In diesem Fall wird Ihr Arbeitsverhältnis durch Personalüberleitungsvertrag mit den beschäftigungssichernden Folgen des § 613 a BGB auf den privaten Anbieter übergeleitet. …”
Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens und der erstinstanzlichen Anträge der Parteien wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 3.7.2003 – 10 Ca 1050/03 – auf den Seiten 2–4 (Bl. 123–125 d.A.) Bezug genommen.
Der Tenor dieses Urteils lautet:
„1.) Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 03.03.2003 nicht aufgelöst worden ist.
2.) Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3.) Der Streitwert wird auf 4.725,00 EUR festgesetzt.”
Wegen der Entscheidungsgründe der vorgenannten Entscheidung des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 3.7.2003 wird auf dessen Seiten 4–8 (Bl. 125–129 d.A.) Bezug genommen.
Dieses Urteil wurde der beklagten Stadt am 5.8.2003 zugestellt, die dagegen am 29.8.2003 beim Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt und diese – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 5.11.2003 – am 4.11.2003 begründet hat.
Bezüglich des zweitinstanzlichen Vorbringens der beklagten Stadt wird auf deren Berufungsbegründungsschriftsatz vom 3.11.2003 nebst Anl. (Bl. 145–171, 172–177 d.A.) verwiesen.
Wegen der zweitinstanzlichen Anträge der Parteien wird auf das Protokoll über die Berufungsverhandlung vom 21.4.2004 (Bl. 209 d.A.) Bezug genommen.
Hinsichtlich des zweitinstanzlichen Vorbringens der Klägerin wird auf deren Berufungserwiderung vom 26.1.2004 nebst Anl. (Bl. 186–194, 195–196 d.A.). Bezug genommen.
Bezüglich der in der Berufungsverhandlung am 21.4.2004 von den Parteien abgegebenen Erklärungen wird auf das vorgenannte Sitzungsprotokoll verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Die statthafte (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässige (§ 64 Abs. 2 ArbGG), form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung (§§ 66 Abs. 1 S. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 518 Abs. 1 und 2, 519 Abs. 2 und 3 ZPO) der beklagten Stadt ...