Entscheidungsstichwort (Thema)
Eintritt der zweijährigen Verlängerung nach § 2 Abs. 1 Satz 3 WissZeitVG. Aktive Ausübung des elterlichen Sorgerechts als Betreuung i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 3 WissZeitVG. Zulässigkeit mehrerer Arbeitsverhältnisse zu demselben Arbeitgeber nach § 2 Abs. 2 TV-L. Abgrenzung zwischen Befristungskontrollklage und Feststellungsklage. Unterschiedliche Prüfungsmaßstäbe bei der Inhaltskontrolle von Befristungen und sonstigen Vertragsbedingungen. Vertretung als Rechtfertigungsgrund für eine befristete Erhöhung der Arbeitszeit
Leitsatz (amtlich)
1. Die zweijährige Verlängerung der Höchstbefristungsdauer von sechs Jahren setzt weder eine Vereinbarung der Parteien, die Befristung auf § 2 Abs. 1 S. 3 Wiss-ZeitVG (alt) zu stützen, noch die Kenntnis des Arbeitgebers von der Betreuungssituation voraus. Die zweijährige Verlängerung tritt "bei Betreuung" eines oder mehrerer Kinder automatisch ein.
2. Für die Bejahung des Tatbestandsmerkmals der "Betreuung" des Kindes genügt es, dass der Wissenschaftler in Ausübung des gemeinsamen elterlichen Sorgerechts seine Betreuungspflichten, wenn auch in der Regel nur an den Wochenenden und im Urlaub, regelmäßig ausgeübt hat. Es ist nicht Aufgabe der Arbeitsgerichte, die Betreuungszeiten des Wissenschaftlers im Minuten, Stunden und Tagen zu bemessen, es muss für die Anwendung der Vorschrift des § 2 Abs. 1 S. 3 WissZeitVG (alt) genügen, dass der Wissenschaftler sein elterliches Sorgerecht aktiv ausübt und sein Kind tatsächlich regelmäßig betreut.
Orientierungssatz
Orientierungssatz:
1. Nach § 2 Abs 2 TV-L dürfen mehrere Arbeitsverhältnisse zu demselben Arbeitgeber nur begründet werden, wenn die jeweils übertragenen Tätigkeiten nicht in einem unmittelbaren Sachzusammenhang stehen. Andernfalls gelten sie als ein Arbeitsverhältnis. Bei Arbeitsverhältnissen zu verschiedenen Dienststellen/Betrieben ist zu vermuten, dass der geforderte Sachzusammenhang in der Regel fehlt.
2. Auf die Befristung einer Arbeitszeiterhöhung findet die besondere Feststellungsklage nach § 17 TzBfG keine Anwendung. Die Unwirksamkeit einer Befristung einzelner Arbeitsvertragsbedingungen ist mit einer Klage nach § 256 Abs 1 ZPO geltend zu machen.
3. Für die bei der Befristung einzelner Vertragsbedingungen vorzunehmende Inhaltskontrolle nach § 307 Abs 1 BGB gelten andere Maßstäbe als für die Befristungskontrolle nach § 14 Abs 1 TzBfG. Ausnahmsweise können zur Annahme einer nicht unangemessenen Benachteiligung durch die Befristung einer Vertragsbedingung Umstände erforderlich sein, die die Befristung eines Arbeitsvertrages insgesamt nach § 14 Abs 1 TzBfG rechtfertigen würden. Dies ist der Fall bei der Befristung einer Aufstockung der Arbeitszeit in erheblichem Umfang. Ein solch erheblicher Umfang ist bei einer Aufstockung der vertraglichen Arbeitszeit um mindestens 25 % anzunehmen.
4. Die Vertretung eines Arbeitnehmers kann eine befristete Erhöhung der Arbeitszeit gemäß § 14 Abs 1 S 2 Nr 3 TzBfG rechtfertigen.
Normenkette
WissZeitVG § 2 Abs. 1 Sätze 1, 3-4; TV-L § 2 Abs. 2; WissZeitVG § 1 Abs. 1 S. 1; TzBfG § 14 Abs. 1, § 17; ZPO § 256; BGB § 307 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Halle (Entscheidung vom 10.08.2018; Aktenzeichen 7 Ca 324/18) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 10.08.2018 (7 Ca 324/18) abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Die Revision wird für den Kläger zugelassen, soweit er sich gegen die Befristung mit Arbeitsvertrag vom 21.08.2015/22.09.2015 zum 28.02.2018 zur Wehr setzt. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsvertrages.
Der am 1983 geborene Kläger ist Vater einer am 2008 geborenen Tochter, für die er gemeinsam mit der Mutter das elterliche Sorgerecht ausübt. Er war vom 01.04.2011 bis zum 31.03.2012 als WHK-Fachmentor mit 11 Wochenarbeitsstunden bei der Fern-Universität H tätig (Arbeitsvertrag vom 11.03.2011, Anl. K1, Bl. 12 ff. d. A. und Arbeitsvertrag vom 27.06.2011, Anl. K2, Bl. 15 ff. d. A.), ehe er mit dem beklagten Land bzgl. eine Tätigkeit an der M Universität für den Zeitraum vom 20.03.2012 bis längstens zum 08.12.2012 einen befristeten Arbeitsvertrag abschloss (Anl. K3, Bl. 18 d. A.), nach dem er als vollbeschäftigter Elternzeitvertreter eingesetzt wurde. Mit Änderungsvertrag vom 19.09./05.12.2012 schlossen die Parteien einen befristeten Arbeitsvertrag (Anl. K4, Bl. 19 f. d. A.) für den Zeitraum vom 09.12.2012 bis zum 31.03.2013 ab. Als Befristungsgrund für die vereinbarte Vollzeittätigkeit wurde § 2 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG angeführt.
Im Rahmen dieses Änderungsvertrages war der Kläger weiterhin am oben genannten Lehrbereich als wissenschaftlicher Mitarbeiter in Vollzeit tätig. Am 25.02./08.03.2013 schlossen die Parteien einen weiteren befristeten Arbeitsvertrag mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 50 v. H. der durchschni...