Entscheidungsstichwort (Thema)
Gemeinsamer Betrieb. Bildung eines gemeinsamen Betriebs durch mehrere Unternehmen. Auslegung von Feststellungsanträgen. Ersatzzustellung
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Ersatzzustellung an den Betriebsrat gemäß § 184 Abs. 1 ZPO a.F. ist anzunehmen, wenn sich der Betriebsrat stets und ständig der bei dem Arbeitgeber bestehenden Posteingangsstelle bedient. Die Posteingangsstelle für den Betriebsrat ist dann das Geschäftslokal iSv § 184 Abs. 1 ZPO a.F.
2. Ein gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen iSv § 1 Abs. 2 BetrVG ist nicht ohne weiteres anzunehmen, wenn zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag besteht, der Muttergesellschaft durch Dienstleistungsverträge bestimmte Leistungen im Personalwesen der Tochterunternehmung übertragen sind, einige weitreichende Personalentscheidungen der Tochterunternehmung nach ihrer Geschäftsordnung der Zustimmung der Muttergesellschaft bedürfen und daneben Teilidentität in der Person des Geschäftsführers der Gesellschaft besteht.
3. Die Annahme eines gemeinsamen Betriebs bedarf der Feststellung, dass die Funktion des Arbeitgebers in sozialen und personellen Angelegenheiten des Betriebsverfassungsgesetzes institutionell einheitlich für die beteiligten Unternehmen wahrgenommen werden.
Normenkette
BetrVG § 1 Abs. 2, § 18 Abs. 2; ZPO § 184
Verfahrensgang
ArbG Dessau (Beschluss vom 03.04.2002; Aktenzeichen 5 BV 1/01) |
Tenor
1) Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 18) wird derBeschluss desArbG Dessau vom03.04.2002 abgeändert.
- Der Antrag der Beteiligten zu 1) auf Feststellung eines gemeinschaftlichen Betriebes der Beteiligten zu 3) bis 12) wird abgewiesen.
- Auf Antrag des Beteiligten zu 18) wird festgestellt, dass die Beteiligte zu 11) einen eigenständigen Betrieb i.S.d. § 1 BetrVG führt.
2) Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
A.
Im Rechtsstreit geht es um die Frage, ob die zu 3) bis 12) beteiligten Arbeitgeberinnen einen gemeinsamen Betrieb i.S.d. BetrVG führen bzw. ob insbesondere die beteiligte Arbeitgeberin zu 11), die GmbH (im Folgenden DVG), einen eigenständigen Betrieb unterhält.
Die Beteiligten zu 3) bis 12) sind Versorgungs-, Verkehrs- und Dienstleistungsgesellschaften der Stadt jeweils in der Rechtsform einer GmbH. Sie beschäftigen insgesamt über 400 Arbeitnehmer. Die Beteiligte zu 3), die GmbH (im Folgenden DVV), ist als hundertprozentige Tochter der Stadt ihrerseits Muttergesellschaft der beteiligten Arbeitgeberinnen zu 4) bis 12) (Holding-Gesellschaft). Sie beschäftigt ca. 132 Arbeitnehmer. Ihr Gesellschaftszweck besteht lt.
Handelsregistereintrag u.a. in der Gewährleistung und Erfüllung von Versorgungs- und Verkehrsleistungen im Bereich der Stadt (vgl. HRG Auszug Bl. 128 f.). Zwischen ihr und den Tochtergesellschaften bestehen Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge, so zwischen der DVV und der DVG der Vertrag vom 21.12.1992 (Bl. 367 – 369). Geschäftsführer in allen Gesellschaften ist Herr K. Allein bei der DVG fungiert als weiterer Geschäftsführer Herr C. Mit Ausnahme der DVG residieren sämtliche Gesellschaften im Verwaltungsgebäude straße 48 in.
Die DVG ist in etwa 4 – 5 km Entfernung ansässig in der -Straße 48. Sie betreibt öffentlichen Personennahverkehr im Bereich der Stadt und Umgebung und unterhält hierzu eine Reihe von Bus- und Straßenbahnlinien. Auf ihrem Betriebsgelände in der Straße befinden sich die Büros des Geschäftsführers C., des Bereichs Finanzen, des Bereichs Fahr- und Dienstplanung und des Bereichs Leitstand Bus- und Straßenbahnverkehr sowie technische Einrichtungen (Bereich Kfz-Werkstatt und Bereich Fahrwege/Anlagen nebst Stellplätzen für Busse). Der Geschäftsführer C. ist gemäß § 57 Personenbeförderungsgesetz (PBefG) zum Betriebsleiter bestellt.
Im Zuge von Umstrukturierungen übertrugen die Tochtergesellschaften der DVV mittels im Wesentlichen gleichlautender Dienstleistungsverträge eine Reihe von Dienstleistungen, darunter u.a. das Personalwesen. Nach Änderungen im Laufe des Rechtsstreits gilt zwischen der DVV und DVG der Dienstleistungsvertrag in der Fassung vom 01.08.2002 (Bl. 375 – 381 d.A.). Nach näherer Maßgabe des § 6 erbringt die DVV u.a. Dienstleistungen im Personalwesen einschließlich aller damit verbundenen Tätigkeiten.
Bei der DVG besteht eine Geschäftsordnung vom 22.05.2001 in der Fassung vom 25.09.2001, wonach die DVG zwei Geschäftsführer und eine Prokuristen hat (§ 2 Abs. 1 der Geschäftsordnung). Gemäß § 2 Abs. 3 der Geschäftsordnung entscheiden die Geschäftsführer K. und C. gemeinsam in allen Angelegenheiten, in denen es nach dem Gesetz, dem Gesellschaftsvertrag oder der Geschäftsordnung der Zustimmung oder der Information des Aufsichtsrates der DVV, der Gesellschafterversammlung der DVV und der DVG bedarf. Zustimmungspflichtige Rechtsgeschäfte sind gemäß § 3 der Geschäftsordnung insbesondere