Entscheidungsstichwort (Thema)

Einigungsstelle zu Maßnahmen der Wärmeentlastung in den Arbeitsräumen der Arbeitgeberin

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Verfahren nach § 98 ArbGG muss der Regelungsgegenstand der Einigungsstelle im Antrag hinreichend bestimmt bezeichnet sein, anderenfalls ist der Antrag wegen Verstoßes gegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig.

2. Der Antrag ist nach allgemeinen Grundsätzen der Auslegung zugänglich.

3. Bei § 3 a ArbStättVO handelt es sich um eine hinreichend konkrete Rahmenvorschrift, bei deren Ausfüllung dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG zusteht. Daher ist eine Einigungsstelle, die eine konkrete betriebliche Regelung zur Wärmeentlastung finden soll, nicht offensichtlich unzuständig.

 

Normenkette

BetrVG § 76 Abs. 2 S. 2, § 87 Abs. 1 Nr. 7; ArbStättVO § 3a; ArbGG § 98; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Entscheidung vom 24.06.2013; Aktenzeichen 4 BV 68/13)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 24.06.2013 - 4 BV 68/13 - geändert. Zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand: Maßnahmen zur Wärmeentlastung in den Arbeitsräumen der Arbeitgeberin gemäß

§ 3 a ArbStättVO in Verbindung mit Ziff. 3.5 des Anhangs bei Überschreiten der Temperaturen von 26 °C, 30 °C und 35 °C wird der Richter am Arbeitsgericht Hamburg Dr. G. bestellt.

Die Anzahl der Beisitzer pro Seite wird auf 3 festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Einsetzung einer Einigungsstelle.

Antragsteller ist der für den Betrieb der Antragsgegnerin (Arbeitsgeberin) gebildete Betriebsrat. Dieser legte im Juni 2012 den Entwurf einer Betriebsvereinbarung "Wärmebelastung" (Anlage A 4, Bl. 48 - 55 d. A.) vor. Ausweislich § 1 des Entwurfs ist Ziel dieser Betriebsvereinbarung, der Erhöhung der Raumtemperaturen, insbesondere während der Sommerzeit, in den Arbeitsräumen durch geeignete Maßnahmen zu begegnen. Auf einer Sitzung des Arbeitssicherheitsausschusses der Arbeitgeberin am 25.07.2012 stellte die Fachkraft für Arbeitssicherheit ausweislich des Protokolls (Anlage A 1, Bl. 6 f. d. A.) fest, dass die von der Arbeitgeberin bislang abgeleiteten und ergriffenen Maßnahmen dem Richtlinienkatalog aus der Technischen Regel für Arbeitsstätten Raumtemperatur (ASR A 3.5) erfüllten. Mit Schreiben vom 30.07.2012 (Anlage A 5, Bl. 56 d. A.) teilte die Arbeitgeberin mit, sie lehne die Unterzeichnung der vorgeschlagenen Betriebsvereinbarung ab.

Mit Schreiben vom 11.04.2013 (Anlage A 2, Bl. 8 d. A.) teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat mit, sie beabsichtige weiterhin nicht, mit dem Betriebsrat in Verhandlungen über eine Betriebsvereinbarung zum Thema Wärmeentlastung zu treten, da die bereits ergriffenen Maßnahmen im Sinne der ASR A 3.5 gut und ausreichend seien. Am 22.04.2013 rief darauf der Betriebsrat die Einigungsstelle an. Der Arbeitgeber lehnte die Bildung einer Einigungsstelle mit Schreiben vom 29.04.2013 (Anlage A 3, Bl. 9 d. A.) ab.

Nach der ASR A 3.5 sind bei Überschreitung von Temperaturen von 26 °C, 30 °C und 35 ° C jeweils Maßnahmen zur Wärmeentlastung vorzusehen. Bei einer in den Arbeitsräumen der Arbeitgeberin im Juni 2013 vorgenommenen Temperaturmessung ergaben sich an mehreren Tagen an verschiedenen Messpunkten Temperaturen von über 30 °C. Auf die entsprechende Aufstellung (Anlage A 7, Bl. 59 f. d. A.) wird Bezug genommen.

Der Betriebsrat ist der Auffassung, es sei eine Einigungsstelle zum Thema Maßnahmen zur Wärmeentlastung einzurichten.

Er hat vorgetragen, sein entsprechendes Mitbestimmungsrecht folge aus § 87 Abs. 1 Ziff. 7 BetrVG. Vorliegend sei der Arbeitgeber nach § 3 a ArbStättVO verpflichtet dafür zu sorgen, dass Arbeitsstätten so eingerichtet und betrieben würden, dass von ihnen keine Gefährdungen für die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten ausgingen. Diese Vorschrift werde in Ziff. 3.5 des Anhangs zur Arbeitsstättenverordnung (ASR A 3.5) konkretisiert. Dabei seien dem Arbeitgeber Handlungsspielräume eröffnet, die ihrerseits dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unterlägen. Insoweit stehe ihm auch ein Initiativrecht zu.

Die Arbeitgeberin lehnt die Einsetzung einer Einigungsstelle ab.

Sie hat vorgetragen, mit dem vorgesehenen Regelungsgegenstand sei die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig. Bislang nicht entschieden sei, ob § 3 a ArbStättVO eine ausfüllungsbedürftige Rahmenvorschrift im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei. Jedenfalls bestehe jedoch kein erzwingbares Mitbestimmungsrecht. Hierfür sei Voraussetzung, dass den Arbeitgeber aktuell eine zwingende gesetzliche Verpflichtung zu konkretem Handeln treffe, wobei ein Regelungsspielraum verbleibe. Eine derartige Handlungspflicht könne nicht abstrakt und für alle erdenklichen zukünftigen etwa zu regelnden Fälle festgestellt werden. Erst wenn die konkrete, genau bezeichnete gesetzliche Handlungspflicht des Arbeitgebers im Einzelfall feststehe, könne auch ein Mitbestimmungsrecht greifen, dessen Umfang dann erst feststünde...

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