REVISION / RECHTSBESCHWERDE / REVISIONSBESCHWERDE ZUGELASSEN NEIN

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostentragung bei Klagrücknahme. Vergleich

 

Leitsatz (amtlich)

Haben die Prozeßparteien in einem gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich auch die Klagrücknahme vereinbart, ohne eine ausdrückliche Kostenregelung zu treffen, so gebietet die Interessenlage, daß nach der Klagrücknahme sich die Kostenlast nach § 98 ZPO und nicht nach § 269 Abs. 3 ZPO richtet.

 

Normenkette

ZPO §§ 98, 269 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Flensburg (Aktenzeichen 2 Ca 138/88)

 

Tenor

Der Antrag der Beklagten, den Klägerinnen durch Beschluß auch die Kosten des erstinstanzlichen Rechtszuges aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die Beklagte ist durch Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 29. März 1988 – 2 Ca 138/88 – verurteilt worden, an die Klägerinnen die jeweils geforderten Klagbeträge nebst Zinsen zu zahlen. Gegen dieses Urteil hat sich die Beklagte mit ihrer Berufung vom 16. Mai 1988 gewandt. Unter dem 20. Mai 1988 erklärten die Klägerinnen, wegen außergerichtlicher Einigung die Klagen zurückzunehmen.

Nachdem über den Antrag der Beklagten bezüglich der Kosten der Berufung durch Beschluß des Landesarbeitsgerichts vom 15. Juni 1988 entschieden worden ist (Az.: 4 Sa 258/88), meint die Beklagte, daß die Klägerinnen wegen der Klagrücknahme die Kosten erster Instanz zu tragen hätten. Hierzu behauptet die Beklagte, daß die Parteien sich bezüglich des Streitgegenstandes außergerichtlich im Rahmen eines Vergleichs geeinigt hätten. Die Klagrücknahme sei nicht Gegenstand des Vergleichs gewesen. Es hätte den Klägerinnen mithin oblegen, den Rechtsstreit aufgrund des Vergleichs für erledigt zu erklären. Statt dessen hätten sie die Klage zurückgenommen. Da diese Klagrücknahme nicht Gegenstand des Vergleichs gewesen sei, sei § 98 ZPO nicht anwendbar. Es verbleibe bei der zwingenden Vorschrift des § 269 Abs. 3 ZPO.

Die Beklagte beantragt,

den Klägerinnen durch Beschluß auch die Kosten des erstinstanzlichen Rechtszuges aufgrund ihrer Klagrücknahme aufzuerlegen.

Die Klägerinnen begehren, wie ihr Vortrag erweist, die Zurückweisung des Antrags.

Sie behaupten ihrerseits, daß die Klagrücknahme Folge eines außergerichtlichen Vergleichs gewesen sei, so daß allenfalls eine Kostenentscheidung gemäß § 98 ZPO erfolgen könne. Ausweislich der Vereinbarung vom 22. April 1988 sei Gegenstand der außergerichtlichen Vereinbarung auch gewesen, daß die Klägerinnen ihre Klage zurücknehmen. Die Klagrücknahme durch die Klägerinnen sei somit, das ist die Ansicht der Klägerinnen, Gegenstand des außergerichtlichen Vergleichs.

In der Vereinbarung vom 22. April 1988 ist unter dem Stichwort „Vereinbarung” ausgeführt: Zu dem Berufungsverfahren der nachstehenden 22 Arbeitnehmerinnen gegen die Firma Klaus S., Aktenzeichen Erste Instanz – 2 Ca 138/88 werden die Klägerinnen, nach Einlegung der Berufung durch die Firma S., ihre Klagen zurücknehmen.

Der Antrag der Beklagten war als unbegründet zurückzuweisen.

§ 269 Abs. 3 ZPO kommt dann nicht zum Tragen, wenn die klagende Partei sich im Vergleich zur Zurücknahme der Klage verpflichtet hat. Die Gleichheit der Interessenlage gebietet die Anwendung der in § 98 ZPO getroffenen Regelung auf außergerichtliche Vergleiche, wenn Vergleichsgegenstand auch die Klagrücknahme war, denn dann haben die Parteien gerade auch die Klagrücknahme zum Gegenstand ihrer gütlichen Einigung gemacht. Mit dieser Rechtsauffassung befindet sich das Gericht in Übereinstimmung mit der größeren Zahl der Obergerichte (vgl. OLG Frankfurt/Main, Beschluß vom 10.05.1971 – 3 W 13/71 – in MDR 1971, 936; vgl. auch Baumbach-Hartmann ZPO 39. Aufl. Anm. 3b zu § 98 m. w. Hinw.; Zöller ZPO 15. Aufl. § 98 Rdnr. 6 m. Hinw. auf BGH in NJW 61, 460 mit teilweise abweichender Auffassung im Folgesatz: Hinweis auf § 91 a ZPO). Das Gericht befindet sich auch in Übereinstimmung mit dem OLG München, daß beim Fallenlassen des Klageantrags wegen Erledigung des Vergleichs die Kostenregelung des § 269 Abs. 3 ZPO nicht eingreife, die Kostenlast sich in diesem Falle vielmehr unmittelbar nach der Vereinbarung im Vergleich und ergänzend nach § 98 ZPO richte (in Versicherungsrecht 1976, 395). Letztlich hat auch das Kammergericht in bezug auf die Berufungsrücknahme – ein von der Interessenlage durchaus gleichliegender Fall – festgehalten, daß ein die Berufungsrücknahme vorsehender Vergleich, der nichts über den Kostenpunkt enthalte, regelmäßig dahin auszulegen sei, daß jedenfalls die Vergleichskosten gegeneinander aufgehoben würden und nicht unter die Kostentragungspflicht nach § 515 Abs. 3 ZPO fielen (Beschluß vom 27.02.1979 – 1 W 41/79 in MDR 1979, 677–678–).

Die Parteien haben in diesem Rechtsstreit vergleichsweise die Rücknahme der Klagen vereinbart. Das haben die Klägerinnen durch Vorlage der Vereinbarung vom 22. April 1988 geklärt. Danach haben sie sich in der Vereinbarung verpflichtet, nach Einlegung der Berufung durch die Beklagte ihre Klagen zurückzunehmen. Damit war § 98 ZPO und nicht § 269 Abs. 3 ZPO ...

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