Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksame Fristsetzung im Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren nur bei Wahrung der förmlichen Zustellung
Leitsatz (redaktionell)
Eine wirksame Fristsetzung im Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren nach § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO erfordert eine förmliche Zustellung (§ 329 Abs. 2 ZPO). Fehlt es an einer solchen förmlichen Zustellung, liegt keine wirksame Fristsetzung vor. Es können dann die später eingereichten Belege noch im Abhilfeverfahren vom Arbeitsgericht berücksichtigt werden.
Normenkette
ZPO § 118 Abs. 2 S. 4, § 329 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Kiel (Entscheidung vom 04.08.2017; Aktenzeichen 3 Ca 993 c/167) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Kiel vom 04.08.2017 - 3 Ca 993 c/167 - geändert:
Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe mit Wirkung vom 06.07.2017 bewilligt. Ihm wird Rechtsanwalt Z. beigeordnet. Eine Verpflichtung zur Ratenzahlung besteht derzeit nicht.
Kosten werden im Beschwerdeverfahren nicht erhoben.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht eine Kündigungsschutzklage erhoben und einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt. Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlagen ging am 06.07.2017 ein. Das Verfahren endete durch Vergleich am 11.07.2017.
Mit Verfügung vom 13.07.2017 hat das Arbeitsgericht dem Kläger aufgegeben, noch verschiedene Angaben zu machen und Belege einzureichen und hierfür eine Frist bis zum 03.08.2017 gesetzt. Der Kläger ist über die Folgen der Fristversäumung nach § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO in der Verfügung belehrt worden. Die Verfügung ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers formlos übersandt worden.
Mit einem auf den 04.08.2017 datierten Beschluss hat das Arbeitsgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen, da bis zum 04.08.2017 keine Unterlagen eingegangen waren. Am 07.08.2017 ging beim Arbeitsgericht ein Schriftsatz des Klägers mit einem Bescheid über die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ein. Am 08.08.2017 wurde der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 04.08.2017 vom Arbeitsgericht in die Post gegeben und dem Kläger am 10.08.2017 zugestellt.
Gegen den Beschluss hat der Kläger am 29.08.2017 sofortige Beschwerde eingelegt, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Akte verwiesen.
II.
Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte, form- und fristgemäß eingelegte und damit zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist begründet. Das Arbeitsgericht durfte die am 07.08.2017 eingegangenen Unterlagen nicht unberücksichtigt lassen. Bei Berücksichtigung dieser Unterlagen ist dem Kläger ratenlose Prozesskostenhilfe zu gewähren. Daher war die Entscheidung des Arbeitsgerichts abzuändern.
Im Einzelnen gilt Folgendes:
1. Das Arbeitsgericht durfte die am 07.08.2017 vom Kläger eingereichten Unterlagen nicht unberücksichtigt lassen.
a) Grundsätzlich verletzt das Gericht das Recht eines Verfahrensbeteiligten auf rechtliches Gehör, wenn es einen nach Beschlussfassung, aber vor Herausgabe des nicht verkündeten Beschlusses eingegangenen Schriftsatz unberücksichtigt lässt (z.B. BGH vom 12.07.2012 - IX ZB 270/11 -, juris). Ob diese Grundsätze auch in den Fällen gelten, wo der Prozesskostenhilfe beantragenden Partei eine Frist nach § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO gesetzt worden ist oder ob wegen ihres Sanktionscharakters eine Fristsetzung nach dieser Norm anders zu sehen ist (vgl. dazu BAG vom 03.12.2003 - 2 AZB 19/03 -, juris), bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung.
Das Arbeitsgericht hat nämlich dem Kläger keine wirksame Frist nach § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO gesetzt. Die wirksame Fristsetzung nach § 118 Abs. 2 Satz 4 setzt gemäß § 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO die förmliche Zustellung voraus (LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 09.12.2015 - 1 Ta 194/15 -; LAG Köln, Beschluss vom 13.03.2009 - 4 Ta 76/09 -; LAG Hessen, Beschluss vom 23.11.2005 - 16 Ta 509/05 - alle bei juris).
Daran fehlt es hier. Das Arbeitsgericht hat seine Verfügung vom 13.07.2017 dem Kläger lediglich formlos mitgeteilt. Damit war diese ungeeignet, die Rechtsfolge des § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO auszulösen. Damit waren die vom Kläger eingereichten Belege spätestens im Abhilfeverfahren vom Arbeitsgericht zu berücksichtigen.
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass es nicht darauf ankommt, dass dem Prozessbevollmächtigten des Klägers die Verfügung vom 13.07.2017 tatsächlich zugegangen ist. Eine Heilung nach § 189 ZPO kommt nämlich in Fällen der vorliegenden Art nicht in Betracht. Voraussetzung einer Heilung ist der Zustellungswille. Der Wille zur bloßen formlosen Übersendung genügt nicht (LAG Köln, aaO, Rn. 5 mwN). Da die Verfügung vom 13.07.2017 ausweislich der Akte tatsächlich nur formlos mitgeteilt werden sollte, scheidet die Heilung aus.
2. Die danach zu berücksichtigenden vom Kläger ergänzend eingereichten Unterlagen belegen, dass dieser bedürftig im Sinne des Prozesskostenhilferec...