Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksame Fristsetzung im Prozesskostenhilfeverfahren bei fehlender Zustellung der gerichtlichen Verfügung
Leitsatz (amtlich)
Eine Verfügung, mit der eine Frist nach § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO gesetzt wird, ist förmlich zuzustellen.
Normenkette
ZPO § 118 Abs. 2 S. 4, § 329 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Kiel (Entscheidung vom 10.11.2015; Aktenzeichen 5 Ca 1347 b/15) |
Tenor
Der Prozesskostenhilfe versagende Beschluss des Arbeitsgerichts Kiel vom 10.11.2015 - 5 Ca 1347 b/15 - wird auf- gehoben. Dem Arbeitsgericht wird aufgegeben, den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts erneut zu bescheiden.
Kosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich im Beschwerdeverfahren gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe durch das Arbeitsgericht.
Der Kläger hat am 27.09.2015 eine Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht erhoben und zugleich einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten gestellt. Dem Prozesskostenhilfeantrag war eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie als Beleg eine Lohnabrechnung beigefügt.
Der Kündigungsschutzprozess endete durch Vergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO am 22.10.2015.
Durch Verfügung vom 23.10.2015 hat das Arbeitsgericht dem Kläger aufgegeben, zum Prozesskostenhilfeantrag ergänzende Belege zur Gerichtsakte zu reichen. In der Verfügung ist dem Kläger hierfür eine Frist bis zum 06.11.2015 gesetzt worden. Die Verfügung ist der Prozessbevollmächtigten des Klägers formlos übersandt worden, eine förmliche Zustellung erfolgte nicht. Die Verfügung wurde am 26.10.2015 von der Geschäftsstelle zur Post gegeben.
Mit Beschluss vom 10.11.2015 hat das Arbeitsgericht den Prozesskostenhilfeantrag zurückgewiesen, da die angeforderten Belege nicht eingegangen seien.
Hiergegen hat der Kläger am 18.11.2015 sofortige Beschwerde erhoben und als weiteren Beleg einen Mietvertrag eingereicht. Ferner führt seine Prozessbevollmächtigte aus, sie hätte es "begrüßt", wenn das Gericht vorher noch einen Hinweis gegeben hätte, dass Unterlagen für den Prozesskostenhilfeantrag fehlten.
Mit Beschluss vom 20.11.2015 hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen da im Beschwerdeverfahren nachgereichte Unterlagen, die entgegen einer nach § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO gesetzten Frist eingereicht würden, nicht zu berücksichtigen seien. Das Arbeitsgericht hat die sofortige Beschwerde dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Auf Anfrage des Gerichts hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers anwaltlich versichert, sie habe die Verfügung vom 23.10.2015 nicht erhalten.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Akte verwiesen.
II.
Die statthafte, form- und fristgemäß eingelegte und damit zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist begründet. Mit der vom Arbeitsgericht gegebenen Begründung kann der Prozesskostenhilfeantrag des Klägers nicht zurückgewiesen werden.
1. Zwar ist es zutreffend und entspricht ständiger Rechtsprechung des Beschwerdegerichts und auch des Bundesarbeitsgerichts, dass Unterlagen, die entgegen einer wirksam gemäß § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO gesetzten Frist im Beschwerdeverfahren nachgereicht werden, nicht zu berücksichtigen sind (LAG Schl.-Holst., u. a. Beschl. v. 14.03.2013 - 1 Ta 40/13 - [...]; BAG, Beschl. v. 03.12.2003 - 2 AZB 19/03 - [...]).
2. Vorliegend fehlt es aber an einer entsprechenden wirksamen Fristsetzung durch das Gericht.
Das Arbeitsgericht hat nämlich seine Verfügung vom 23.10.2015 entgegen der Regelung in § 329 Abs. 2 S. 2 ZPO der Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht zugestellt. Da die Fristsetzung nach § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO eine Frist in Lauf setzt, ist sie förmlich zuzustellen (Zöller, § 118, Rn 17 a).
Regelmäßig hängt die Wirksamkeit von der Partei nachteiligen Beschlüssen von der Zustellung der Verfügung ab (Zöller, § 329 ZPO, Rn 26).
Eine förmliche Zustellung ist hier nicht erfolgt. Damit ist dem Kläger nicht wirksam eine Frist nach § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO gesetzt worden.
Ob der Sachverhalt anders zu behandeln ist, wenn die formlos mitgeteilte Fristsetzung nach § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO beim Prozessbevollmächtigten tatsächlich eingeht und dieser dann die Frist nicht einhält, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Nach den Angaben der Prozessbevollmächtigten des Klägers, an denen zu zweifeln kein Anlass besteht, ist die Verfügung vom 23.10.2015 bei ihr nicht eingegangen.
3. Demnach hat das Arbeitsgericht bei der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag den nachgereichten Beleg über den Mietvertrag zu berücksichtigen und auf dieser Grundlage über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erneut zu entscheiden.
4. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht ersichtlich.
Fundstellen