Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe. Erfolgsaussicht. Entscheidungsreife. Zeitpunkt. Vermögen. Barbetrag. Abfindung. Einsatz

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist erst dann wirksam gestellt, wenn die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht wird. § 117 Abs. 4 ZPO schreibt vor, dass sich die Parteien für die Erklärung der amtlichen Vordrucke zu bedienen haben. Grundsätzlich kann erst zu dem Zeitpunkt, in dem diesen Anforderungen genügt ist, Prozesskostenhilfe bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden.

2. Ein als Abfindung für den Verlust eines Arbeitsplatzes geleisteter Betrag ist als einsetzbares Vermögen dann nicht zu berücksichtigen, wenn es sich um einen kleineren Barbetrag oder einen sonstigen Geldwert handelt, § 90 Abs. 2 Ziff. 9 SGB XII. Die Höhe des kleineren Barbetrags ergibt sich aus § 1 der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII. Die Höhe dieses „Schonvermögens” beträgt 2.600 EUR.

 

Normenkette

ZPO §§ 114, 117 Abs. 4, § 115 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Neumünster (Beschluss vom 07.11.2005; Aktenzeichen 1 Ca 1594 c/05)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Neumünster vom 7.11.2005 – 1 Ca 1594 c/05 – teilweise abgeändert:

Die angeordnete Beteiligung der Klägerin an den Kosten des Rechtsstreits mit einem einmaligen Betrag von 199 EUR entfällt.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die von der Klägerin zu tragenden Gerichtskosten werden auf die Hälfte ermäßigt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen eine teilweise Versagung der Prozesskostenhilfe und eine angeordnete Kostenbeteiligung.

Die Klägerin war bei den Beklagten in deren Senioren- und Pflegeheim seit dem 1.9.2000 als Hauswirtschafterin beschäftigt. Sie hat gegen eine mit Schreiben vom 31.8.2005 ausgesprochene Kündigung am 19.9.2005 Klage mit folgenden Anträgen erhoben:

  1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch Kündigung vom 31.8.2005 mit Ablauf des 1.10.2005 geendet hat,
  2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen über den 1.10.2005 hinaus fortbesteht,
  3. die Beklagten zu verurteilen, an sie 1.600 EUR brutto (Gehalt für August 2005) zu zahlen,
  4. die Beklagten zu verurteilen, ihr Abrechnung für August … zu erteilen und diese auszuhändigen.

Gleichzeitig hat sie Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Rechtsanwaltsbeiordnung beantragt.

Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 4.10.2005 weist ein Einkommen der Klägerin von 1.534 EUR brutto und ihres Ehemannes von 2.700 EUR brutto aus. Es ist ein gemeinsames Haus vorhanden, ferner 2 Konten ohne Guthabenangabe und 2 Pkw's ohne Wertangabe. Als Wohnkosten sind insgesamt 454,27 EUR angegeben, davon Zinsen und Tilgung von 284,27 EUR. Als Belastungen sind 2 Kredite für die Fahrzeuge von 178 EUR (Klägerin) und 351 EUR (Ehemann) sowie ein Anschaffungskredit von 210 EUR aufgeführt.

In der mündlichen Verhandlung vom 7.10.2005 ist ein streitbeendender Vergleich geschlossen worden, wonach das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen mit dem 31.10.2005 endete und die Klägerin als Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes 2.500 EUR erhalten solle. Die Vergütung für August war zu diesem Zeitpunkt bereits abgerechnet und ausgezahlt.

Auf Aufforderung des Arbeitsgerichts hat die Klägerin weitere Belege zu den Wkosten, Werbungskosten und Versicherungen eingereicht und angegeben, sie werde ihren Lebensunterhalt durch Leistungen der Agentur für Arbeit bestreiten.

Das Arbeitsgericht hat der Klägerin mit Beschluss vom 7.11.2005 für den Antrag zu 1 Prozesskostenhilfe unter Rechtsanwaltsbeiordnung bewilligt und angeordnet, dass die Klägerin sich mit einem einmaligen Betrag von 199 EUR an den Kosten des Rechtsstreits zu beteiligen habe. Im Übrigen hat es den Antrag zurückgewiesen. Hiergegen hat die Klägerin rechtzeitig Beschwerde eingelegt, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die sofortige Beschwerde hat nur eingeschränkt Erfolg.

1. Zutreffend hat das Arbeitsgericht Prozesskostenhilfe nur für den Antrag zu 1 bewilligt. Denn eine weitergehende hinreichende Erfolgsaussicht, eine der Voraussetzungen des § 114 ZPO, war für die anderen Anträge nicht gegeben.

Soweit für den Antrag zu 2 Prozesskostenhilfe nicht bewilligt worden ist, ist die Klägerin nicht beschwert. Denn ihr sind insoweit nicht Kosten entstanden.

Der Klägerin kann für die Anträge zu 3 und 4 Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden. Insoweit war eine hinreichende Erfolgsaussicht in dem Zeitpunkt nicht mehr gegeben, als der Prozesskostenhilfeantrag wirksam gestellt worden war. Entgegen der Auffassung des Klägerinvertreters reicht es nicht aus, dass gegenüber dem Gericht kundgetan wird, dass ein Antrag gestellt werde. Vielmehr ist der Antrag erst dann wirksam gestellt, wenn die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen V...

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