Entscheidungsstichwort (Thema)
Bemessung und Festsetzung des Gegenstandswerts bei einem Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG
Leitsatz (redaktionell)
Ein Streit der Betriebsparteien über die Zustimmung des Betriebsrats zu einer personellen Einzelmaßnahme i.S.d § 99 Abs. 1 BetrVG ist eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit betriebsverfassungsrechtlicher Art. Hierbei ist der Gegenstandswert gem. § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG nach billigem Ermessen zu bestimmen. Wertbestimmender Faktor ist insbesondere die betriebsverfassungsrechtliche Rechtsposition, um deren Klärung es im Beschlussverfahren geht. Sind keine besonderen Einzelfallkonstellationen erkennbar, ist in diesem Verfahren der Gegenstandswert auf den einfachen Hilfswert von 5.000 € festzusetzen.
Normenkette
BetrVG § 99 Abs. 1, 4; RVG § 23 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Entscheidung vom 30.09.2020; Aktenzeichen 4 BV 45/19) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin (Streitwertbeschwerdeführerin) wird der Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 30.09.2020 - Az. 4 BV 45/19 - abgeändert:
Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Zustimmungsersetzungsverfahren auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin (Arbeitgeberin) hat im Rahmen eines am 27.06.2019 eingeleiteten Verfahrens gemäß § 99 BetrVG beim Arbeitsgericht Lübeck einen Antrag auf Zustimmung zur Eingruppierung eines Arbeitnehmers (Betriebsratsmitglieds) in die Entgeltgruppe 9b Stufe 6 TVÖD-VKA gestellt. Der betroffene Arbeitnehmer war in EG 8 TVÖD-VKA eingruppiert. Die monatliche Differenz zwischen beiden Vergütungsgruppen beträgt 940,02 EUR. Die Arbeitgeberin hatte im Rahmen des Zustimmungsersetzungsantrages die Ansicht vertreten, die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung gelte bereits seit Ende 2018 als erteilt, während der Betriebsrat gemeint hat, nicht vollständig informiert worden zu sein. Die Beteiligten des Ausgangsverfahrens haben in der Beschwerdeinstanz am 17.09.2020 einen verfahrensbeendenden Vergleich geschlossen.
Auf Antrag der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats setzte das Arbeitsgericht durch Beschluss vom 30.09.2020 den Gegenstandswert für das Verfahren auf 25.380,54 EUR fest. Zur Begründung führte es aus, in Anwendung des Streitwertkatalogs (II.14.3) sei der 36-fache Monatsdifferenzbetrag abzüglich eines Abschlags von 25 % in Ansatz zu bringen. Der Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein vom 21.05.2015 - 1 Ta 103/15 - werde nicht gefolgt. Das Landesarbeitsgericht möge erwägen, abweichend von seiner bisherigen Rechtsprechung den Streitwertkatalog nicht nur punktuell, vielmehr insgesamt anzuwenden.
Gegen diesen am 06.10.2020 zugestellten Beschluss hat die Arbeitgeberin am 16.10.2020 Beschwerde eingelegt und begehrt, in Anwendung der gefestigten Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein den Gegenstandswert nach § 23 Abs. 3 RVG auf 5.000,00 EUR festzusetzen. Bei dem Zustimmungsersetzungsverfahren sei nicht auf die Vergütungsdifferenz abzustellen. Im Übrigen sei der streitbefangene Sachverhalt weder überdurchschnittlich komplex noch von grundsätzlicher Bedeutung.
Das Arbeitsgericht Lübeck hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Nichtabhilfebeschluss vom 07.12.2020) und die Sache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Es ist der Ansicht, der Regelungsvorschlag des Streitwertkatalogs für die Streitfrage sei überzeugend. Es sei jedenfalls nicht ermessensfehlerhaft, den unverbindlichen Streitwertkatalog anzuwenden.
II.
1. Die Beschwerde gegen den Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts ist gemäß § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Beschwerde ist innerhalb der Frist des § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG eingelegt worden. Der Wert der Beschwer übersteigt 200,00 EUR.
2. Die Beschwerde ist auch begründet. Die Festsetzung des Gegenstandswerts durch das Arbeitsgericht ist rechtsfehlerhaft. Ob der unverbindliche Streitwertkatalog Anwendung findet und die dort vertretene Empfehlung rechtlich zutrifft, ist keine Frage des Ermessens, sondern eine Rechtsfrage. Eigene Ermessensgesichtspunkte bei der Festsetzung des Gegenstandswerts unter Würdigung des konkreten Streitsachverhalts enthält der angefochtene Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 30.09.2020 nicht.
a) Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein, dass der Streit der Betriebsparteien über die Zustimmung des Betriebsrats zu einer personellen Einzelmaßnahme i. S. d. § 99 Abs. 1 BetrVG eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit betriebsverfassungsrechtlicher Art darstellt. Bei nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten ist gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG der Gegenstandswert nach billigem Ermessen zu bestimmen. In Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung und bei nichtvermögensrechtlichen Gegenständen ist der Gegenstandswert mit 5.000,00 EUR, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 500.000,00 EUR anzunehmen. Wertbestimmende Faktor...