Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsratswahl. Wahlanfechtung. Wählbarkeit. „Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes”. Gestellung. Arbeitnehmerüberlassung. Eingliederung. Mitbestimmungsrechte. Parallelsache zu 3 TaBV 31/10. Wählbarkeit von Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes bei Betriebsratswahlen
Leitsatz (amtlich)
1. Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, die einer privatrechtlich organisierten Tochtergesellschaft langfristig gestellt werden, sind in ihrem Einsatzbetrieb bei Betriebsratswahlen wählbar, wenn sie dort eingegliedert sind.
2. Eine arbeitsvertragliche Bindung zum Einsatzbetrieb ist für die Wählbarkeit der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG nicht erforderlich.
Normenkette
BetrVG § 5 Abs. 1 S. 3, §§ 7-8, 19; AÜG § 1 Abs. 3, § 14 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Kiel (Entscheidung vom 13.10.2010; Aktenzeichen 4 BV 49 b/10) |
ArbG Kiel (Beschluss vom 13.01.2010; Aktenzeichen 4 BV 49 b/109) |
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde des Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Kiel vom 13.01.2010 – 4 BV 49 b/109 – wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird für den Beteiligten zu 2. zugelassen.
Tatbestand
I.
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Anfechtung einer Betriebsratswahl.
Die Antragstellerin ist im Betrieb der Beteiligten zu 3. vertreten. Der Antragsgegner ist der im Mai 2010 gewählte 11 köpfige Betriebsrat im Betrieb der Beteiligten zu 3. in Kiel.
Die Beteiligte zu 3. besteht seit 2005. Sie war bis zum 31.12.2009 eine 100 %-ige Tochtergesellschaft des U.klinikums S.-H. (UK S-H) und unterhält in L. und K. Betriebe. Zum 01.01.2010 ist eine Minderheitsbeteiligung von 49 % auf einen privaten Investor übertragen worden. Der Geschäftsführer der Beteiligten zu 3. wird alleine vom UK S-H gestellt. Aufgabe der Beteiligten zu 3. ist es, Sekundärleistungen, insbesondere Reinigungs-, Sterilisationsleistungen, Hol- und Bringedienst sowie Transportleistungen für das UK S-H am Campus K. und am Campus L. durchzuführen. Diese Aufgaben veränderten sich durch die Beteiligung des privaten Dritten zum 01.01.2010 nicht.
Zur Erledigung dieser Aufgaben setzt die Beteiligte zu 3. eigene Mitarbeiter ein, in K. ca. 700. Darüber hinaus sind bereits seit vielen Jahren auch 284 Arbeitnehmer des UK S-H bei der Beteiligten zu 3. in K. in den Servicebereichen tätig. Es handelt sich um die Arbeitnehmer, die in den Servicebereichen eingesetzt waren, die seinerzeit das UK S-H selbst erfüllt hatte. Die Arbeitnehmer sind rein tatsächlich von dem UK S-H der Beteiligten zu 3. eingesetzt worden. Vertragliche Regelungen mit der Beteiligten zu 3 oder den Arbeitnehmern bestanden nicht. Die Mitarbeiter des UK S-H haben gemeinsam mit den Arbeitnehmern der Beteiligten zu 3. die Arbeitsleistungen in den Servicebereichen erbracht.
Erst mit Beteiligung eines privaten Partners zum 01.01.2010 ist zwischen dem UK S-H und der Beteiligten zu 3. am 16.12.2009 ein Personalgestellungsvertrag (Bl. 46 – 56 d. A.) abgeschlossen worden. Dem Personalgestellungsvertrag war als Anlage 1 eine Liste der betroffenen, etwa 600 Arbeitnehmer beigefügt. Gleichzeitig sind die Beschäftigten nach § 613a Abs. 5 BGB in Textform darüber informiert worden, dass die Veräußerung der Minderheitsbeteiligung an der S. GmbH und der Abschluss des Personalgestellungsvertrages als Betriebsübergang eingeordnet werden könnte und sie deshalb berechtigt seien, einem möglichen Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Beteiligte zu 3. als neuen Arbeitgeber infolge des Betriebsübergangs zu widersprechen. Sämtliche betroffenen Arbeitnehmer erklärten einen entsprechenden Widerspruch. Sie werden weiter als Arbeitnehmer des UK S-H geführt. Zwischenzeitlich teilte die Beteiligte zu 3. sämtlichen Mitarbeitern mit, dass sie der Beteiligten zu 3. zur Dienstleistung gestellt würden. An dem tatsächlichen Einsatz der Arbeitnehmer bei der Beteiligten zu 3. änderte sich nichts. Die Kosten der Gestellung werden von der Beteiligten zu 3. dem UK S-H erstattet.
Das U.klinikum S.-H. hat im Mai 2008 mit der Gewerkschaft ver.di einen Tarifvertrag geschlossen (TV-UKN), dessen § 4 auszugsweise wie folgt lautet:
§ 4
Versetzung, Abordnung, Zuweisung, Personalgestellung
…
(2) Beschäftigten kann im dienstlichen/betrieblichen oder öffentlichen Interesse mit ihrer Zustimmung vorübergehend eine mindestens gleich vergütete Tätigkeit bei einem Dritten zugewiesen werden. Die Zustimmung kann nur aus wichtigem Grund verweigert werden. Die Rechtsstellung der Beschäftigten bleibt unberührt. Bezüge aus der Verwendung nach Satz 1 werden auf das Entgelt angerechnet.
Protokollerklärung zu § 4 Absatz 2:
Zuweisung ist – unter Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses – die vorübergehende Beschäftigung bei einem Dritten im In- und Ausland, bei dem der TV-UKN nicht zur Anwendung kommt.
(3) Werden Aufgaben der Beschäftigten zu einem Dritten verlagert, ist auf Verlangen des Arbeitgebers bei weiter bestehendem Arbeitsverhält...