REVISION / RECHTSBESCHWERDE / REVISIONSBESCHWERDE ZUGELASSEN JA
Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozeßkostenhilfe. Wahlanwalt. Regelgebühren. Einziehung der Differenzgebühren durch Staatskassen
Leitsatz (amtlich)
Die Landeskasse ist nicht verpflichtet, Prozeßkostenhilferaten bis zur Deckung der vollen Regelgebühren des beigeordneten Wahlanwalts einzuziehen.
Normenkette
BRAGO §§ 123-124, 130; ZPO § 120 Abs. 3 Nr. 1, § 122 Abs. 1 Nr. 1; GG Art. 3, 12
Verfahrensgang
ArbG Kiel (Beschluss vom 24.01.1991; Aktenzeichen 4b Ca 187/89) |
Tenor
wird die Beschwerde der Prozeßbevollmächtigten des Klägers gegen den Beschluß des Rechtspflegers des Arbeitsgerichts Kiel vom 24.01.1991 zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Nachdem der Kläger am 27.01.1989 Kündigungsschutzklage eingereicht hatte, bewilligte das Arbeitsgericht ihm im Termin am 10.02.1989 Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung von Frau Rechtsanwältin H., einer der Prozeßbevollmächtigten. Diesen Bewilligungsbeschluß hat der Rechtspfleger durch Beschluß vom 01.11.1989 im Hinblick auf die geänderten wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers dahingehend geändert, daß der Kläger ab 01.12.1989 monatliche Raten von 60,– DM zu entrichten hatte. Am 20.03.1990 meldeten die Prozeßbevollmächtigten ihre „Differenzanwaltskosten gem. § 124 BRAGO” an. Gemäß Verfügung vom 28.03.1990 wies der Rechtspfleger darauf hin, daß eine Verpflichtung der Staatskasse, die Wahlanwaltsvergütung einzuziehen, nicht bestehe. Nachdem die Prozeßbevollmächtigten am 19.12.1990 für den Fall, daß bereits die vorläufige Einstellung der Zahlungen angeordnet sei, beantragt hatten, weitere Raten bis zur Deckung ihrer Wahlanwaltsgebühren einzuziehen, wies der Rechtspfleger durch Beschluß vom 24.01.1991 die Anträge vom 20.03. sowie 18.12.1990 mit der Begründung zurück, daß es für eine Verpflichtung der Staatskasse, Prozeßkostenhilferaten über den Prozeßkostenhilfeaufwand nach § 122 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hinaus bis zur Deckung der vollen Regelgebühren einzuziehen, an einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage fehle.
Gegen diesen Beschluß, der ihnen am 28.01.1991 zugestellt worden ist, haben die Prozeßbevollmächtigten am 11.02.1991 Erinnerung mit der Begründung eingelegt, daß die §§ 120 ZPO, 124 BRAGO eine ausreichende gesetzliche Grundlage für eine Einziehungspflicht des Staates bildeten. Die einschlägigen Vorschriften – §§ 120, 122 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, 123, 124 BRAGO – enthielten zur Klärung dieser Fragen keinen eindeutigen Wortlaut. Aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich jedoch, daß die von der Partei zu deckenden „Kosten” i. S. v. § 120 Abs. 3 Nr. 1 ZPO auch die weitere Vergütung des Rechtsanwalts nach § 124 Abs. 1 BRAGO umfaßten. Dieses Ergebnis werde durch die systematische Interpretation des Begriffs „Kosten” i. S. v. § 120 Abs. 3 Nr. 1 ZPO unterstützt. Der Begriff „Kosten” sei nach den Vorschriften des PKH-Verfahrens auszulegen, insbesondere nach § 114 ZPO; zu den dort genannten Kosten der Prozeßführung gehöre die Regelvergütung gem. § 11 BRAGO; denn der Grund für die Bewilligung sei es gerade, daß die Partei diese Regelvergütung nicht aufbringen könne; im gleichen Sinne sei § 115 ZPO zu verstehen. Schließlich spreche besonders der Gesetzeszweck der §§ 120 ZPO, 124 BRAGO dafür, daß die Staatskasse zur Einziehung von Raten verpflichtet sei, bis auch die weitere Vergütung des Rechtsanwalts gedeckt sei; um die weitere Vergütung nach § 124 BRAGO zu erhalten, bedürfe es der Festsetzung; dessen Zeitpunkt bestimme § 124 Abs. 3 BRAGO. Diese Regelung sehe ausdrücklich den Fall vor, daß die von der Partei zu zahlenden Beträge nicht (vollständig) beglichen würden und die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen der Partei erfolglos geblieben sei; dabei könne es sich nur um die Zwangsvollstreckung auf Betreiben der Staatskasse handeln, da es dem beigeordneten Rechtsanwalt gem. § 122 Abs. 1 Nr. 1 ZPO verboten sei, seine Vergütung gegen die Partei geltend zu machen. Weiter könne es nur um die Zwangsvollstreckung wegen der Beträge für die weitere Vergütung des Rechtsanwalts gehen, da es in § 124 BRAGO nur noch um die zusätzliche Vergütung des Rechtsanwalts gehe. Somit setze diese Vorschrift zwangsläufig die Einzugsverpflichtung der Staatskasse für die weitere Vergütung voraus. Diese Auffassung führe nicht zu einer dem Gleichheitssatz widersprechenden Bevorzugung des beigeordneten Rechtsanwalts gegenüber dem Wahlanwalt; es sei vielmehr ein notwendiges Gegengewicht zu der Benachteiligung des beigeordneten Rechtsanwalts, der sich – im Gegensatz zum Wahlanwalt – keine Sicherheit durch Vorschüsse beschaffen könne und der auch nicht berechtigt sei, die Vergütung außerhalb des PKH-Verfahrens gegen die Partei geltend zu machen – § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO –. Der beigeordnete Rechtsanwalt sei aufgrund der Regelung in § 124 Abs. 1 BRAGO auch nicht dadurch bessergestellt, daß sein Gebührenschuldner die stets zahlungsfähige Staatskasse sei; denn die weitere Vergütung werde nur insoweit festgesetzt und ausgezahlt, als durch erfolgreich eingezogene Beträge be...