Entscheidungsstichwort (Thema)
Wählerliste. Anfechtung der Wahl. Rücktritt des Betriebsrats. Wahlanfechtung. Bestellung des Wahlvorstandes
Leitsatz (amtlich)
1. Tritt der Betriebsrat, dessen Wahl angefochten wurde, noch vor rechtskräftiger Entscheidung im Anfechtungsverfahren zurück, so ist er berechtigt und verpflichtet, einen Wahlvorstand für eine Neuwahl zu bestellen.
2. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Neuwahl noch vor Rechtskraft der Entscheidung abgeschlossen werden kann.
3. Die Arbeitgeberin ist zur Erteilung der Auskünfte gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 WO nur dann nicht verpflichtet, wenn die angestrebte Wahl mit Sicherheit nichtig oder anfechtbar sein wird.
4. Zur Durchsetzung des Anspruchs gemäß § 2 II WO im Wege der einstweiligen Verfügung.
Normenkette
WO § 2; BetrVG §§ 22, 16-17, 13
Verfahrensgang
ArbG Kiel (Entscheidung vom 30.03.2011; Aktenzeichen 3 BVGa 20 a/11) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Wahlvorstands zur Wahl eines Betriebsrates der L.-Stiftung wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Kiel vom 30.03.2011 (3 BVGa 20 a/11) abgeändert:
Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, eine nach Geschlechtern geordnete Liste aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Betriebs der L.-Stiftung mit Familiennamen, Vornamen, Geburtsdatum, Eintrittsdatum in den Betrieb und Privatanschrift und eine Liste der leitenden Angestellten iSd. § 5 Abs. 3 BetrVG zu erstellen und an den Antragsteller herauszugeben.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens darum, ob die Antragsgegnerin verpflichtet ist, für den Antragsteller eine Wählerliste gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 WO zu erstellen und diese an den Antragsteller herauszugeben.
Die Antragsgegnerin (nachfolgend: Arbeitgeberin) betreibt das L.-Klinikum. Der Antragsteller (nachfolgend: Wahlvorstand) ist der für die Leitung der Wahl eines Betriebsrats im Betrieb der Arbeitgeberin bestellte Wahlvorstand. Die Arbeitgeberin verweigert die Erstellung und Herausgabe einer Wählerliste an den Wahlvorstand.
In den Räumen des Klinikums der Arbeitgeberin versieht die L.-K. Dienstleistungs GmbH Reinigungsarbeiten auf Stationen, im OP und im sogenannten Flächenbereich. Die L.-S. Dienstleistungs GmbH verrichtet Küchenarbeiten in der Kantine und im Hinblick auf die Betreuung der Patientinnen und Patienten. Am 31. März 2010 wählten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Arbeitgeberin, der L.-K. Dienstleistungs GmbH und der L.-S. Dienstleistungs GmbH unter der Annahme eines einheitlichen Betriebes für alle drei Unternehmen einen Betriebsrat.
Die Arbeitgeberin hat die Wahl dieses Betriebsrates mit der Begründung angefochten, es bestehe zwischen ihr und der L.-K. Dienstleistungs GmbH kein gemeinsamer Betrieb. Das Arbeitsgericht Kiel gab dem Antrag der Arbeitgeberin mit Beschluss vom 15. September 2010 statt (3 BV 39 a/10), das Landesarbeitsgericht SchleswigHolstein bestätigte mit Beschluss vom 3. März 2011 (4 TaBV 30/10) die erstinstanzliche Entscheidung und ließ die Rechtsbeschwerde nicht zu. Der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein ist den Beteiligten noch nicht zugestellt.
Auf seiner Sitzung am 9. März 2011 beschloss der am 31. März 2010 gewählte Betriebsrat seinen Rücktritt und bestellte anschließend sowohl für den Betrieb der Arbeitgeberin als auch für die L.-K. Dienstleistungs GmbH und die L.-S. Dienstleistungs GmbH jeweils getrennte Wahlvorstände zur Leitung getrennter Betriebsratswahlen.
Mit Schreiben vom 10. März 2011 forderte der Wahlvorstand von der Arbeitgeberin (L.-Stiftung) die Erstellung und Herausgabe einer Wählerliste gemäß § 2 WO. Die Arbeitgeberin lehnte dies mit Schreiben vom 18. März 2011 ab und führte zur Begründung aus, der zurückgetretene Betriebsrat könne vor Rechtskraft der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein Wahlvorstände nicht mehr bestellen.
Wegen der erstinstanzlich geäußerten unterschiedlichen Rechtsauffassungen und der dort gestellten Anträge wird Bezug genommen auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Beschlusses.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es fehle jedenfalls ein Verfügungsgrund. Werde Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, sei der zurückgetretene Betriebsrat noch längere Zeit geschäftsführend im Amt. Ein Eilbedürfnis zur Durchführung der Neuwahl bestehe in diesem Fall nicht. Sofern die Nichtzulassungsbeschwerde und die anschließende Rechtsbeschwerde sodann erfolgreich sein sollten, wären auch die für die drei Unternehmen getrennt angesetzten Betriebsratswahlen wegen Verkennung des Betriebsbegriffs unwirksam und anfechtbar. Zwar könne der jetzt eingesetzte Wahlvorstand zurzeit einen Anspruch auf Herausgabe der begehrten Unterlagen haben. Ob er die Wahlen noch durchführen könne und diese wegen Verkennung des Betriebsbegriffs nicht von vornherein unwirksam seien, sei jedoch ungewiss. Das Herausgabeverlangen „auf gut Glück” sei aber mit den Voraussetzungen der §§ 935, 940 ZPO nicht zu vereinbaren. Eine Leistungsverfügung sei nur zulässig, wenn der Gl...