Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweilige Verfügung. Wahlabbruch. Nichtigkeit. Bestellung des Wahlvorstandes. Unbegründeter Eilantrag der Gewerkschaft auf Abbruch der Betriebsratswahl wegen fehlerhafter Bestellung des Wahlvorstands
Leitsatz (amtlich)
1). Der Abbruch einer Wahl im Wege der einstweiligen Verfügung kommt bei fehlerhafter Bildung des Wahlvorstandes nur in Betracht, wenn der Errichtungsfehler derart schwerwiegend ist, dass der Wahlvorstand als Gremium rechtlich überhaupt nicht existent ist.
2). Jedenfalls im einstweiligen Verfügungsverfahren sieht sich die Beschwerdekammer an die Auffassung des 7. Senats des Bundesarbeitsgerichts gebunden, wonach allein die sichere Anfechtbarkeit der beabsichtigten Wahl einen Wahlabbruch nicht begründen kann. Dies gebietet der Grundsatz der Wahrung der Rechtseinheit, auch wenn Zweifel daran bestehen, ob die Sichtweise des 7. Senats zwingend ist.
Normenkette
ZPO § 945; BetrVG §§ 33, 19, 13, 16, 13 Abs. 1-2, § 19 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Entscheidung vom 28.02.2012; Aktenzeichen 5 BVGa 13/12) |
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 28.02.2012 - 5 BVGa 13/12 - wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten im Wege der einstweiligen Verfügung darüber, ob eine für April 2012 geplante Betriebsratswahl abzubrechen ist. Die Beteiligte zu 1) und Antragstellerin ist die im Betrieb der Beteiligten zu 3) (Arbeitgeberin) vertretene Gewerkschaft. Der Beteiligte zu 2) ist der für die beabsichtigte Betriebsratswahl gebildete Wahlvorstand.
Die Arbeitgeberin, ein überregional tätiges Dienstleistungsunternehmen, das hauptsächlich verschiedene Reinigungsleistungen anbietet, hat ihre Unternehmenszentrale in L... . Dort befindet sich auch die Filiale L... . Weitere Filialen gibt es in Ki..., F..., Re..., H..., Ha..., Han..., E..., K..., B..., Ro..., Sch..., N..., Ne..., B..., St... und M...
Am 08. Juni 2010 fand im Betrieb der Arbeitgeberin eine "bundesweite" Betriebsratswahl für einen 29köpfigen Betriebsrat statt. Auf den Antrag der Gewerkschaft erklärte das Arbeitsgericht Lübeck die Wahl mit Beschluss vom 10.12.2010 (4 BV 56/10) aufgrund formaler Fehler für unwirksam. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (5 TaBV 3/11) wies mit Beschluss vom 15.09.2011 die Beschwerde gegen die erstinstanzliche Entscheidung zurück, ließ die von der Gewerkschaft im Rahmen des Wahlanfechtungsverfahrens aber ebenfalls geltend gemachte Verkennung des Betriebsbegriffs dahingestellt.
Der Betriebsrat legte gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts beim Bundesarbeitsgericht die Nichtzulassungsbeschwerde ein.
25.10.2011 lud der Betriebsrat zu einer Betriebsratssitzung am 15.11.2011 ein. Die Einladung enthält als Tagesordnungspunkt nicht die Wahl eines Wahlvorstandes.
Ausweislich des Protokolls der Betriebsratssitzung vom 15.11.2011 nahmen an der Sitzung 16 Mitglieder teil. In Ziffer 3. des Protokolls heißt es:
"Wenn Beschwerde abgelehnt, dann nach Erfurt
(Anwalt hat Beschwerde eingelegt gegen das Urteil)
- einstimmig dafür (nach Erfurt) -
Frau M... rät an, vorsichtshalber schon einen Wahlvorstand neu zu wählen, da wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht wissen, ob die Beschwerde beim Gericht zugelassen wird. Sollte es negativ enden, könnten wir gleich eine Neuwahl starten. Der neu gewählte Vorstand setzt sich wie folgt zusammen:
Wahlvorstandssitzende: M.H...
1. Wahlvorstandsmitglied: W.P...
2. Wahlvorstandsmitglied: C.M...
Der Wahlvorstand wurde einstimmig gewählt."
Das Bundesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 03.01.2012 (7 ABN 96/11) die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen.
Mit Wahlausschreiben vom 13.02.2012 teilte der Wahlvorstand mit, er habe in seiner Sitzung vom 27.01.2012 den Erlass eines Wahlausschreibens beschlossen, wonach die Betriebsratswahl am 17.04.2012 stattfinde. Dem Wahlausschreiben lässt sich entnehmen, dass für alle Filialen ein einheitlicher Betriebsrat gewählt werden soll.
Die Gewerkschaft hat mit Antragsschrift vom 23.02.2012 ein einstweiliges Verfügungsverfahren eingeleitet mit dem Ziel, dem Wahlvorstand aufzugeben, die eingeleitete Betriebsratswahl abzubrechen.
Wegen der in erster Instanz vorgetragenen Argumente der Beteiligten und der dort gestellten Anträge wird Bezug genommen auf den darstellenden Inhalt der angefochtenen erstinstanzlichen Entscheidung.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es sei nicht erkennbar, dass die geplante Betriebsratswahl mit Sicherheit nichtig sein werde. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird Bezug genommen auf die rechtlichen Ausführungen der arbeitsgerichtlichen Entscheidung.
Die Gewerkschaft hat gegen diesen ihr am 02.03.2012 zugestellten Beschluss am 19.03.2012 Beschwerde eingelegt und diese sogleich begründet.
Die Gewerkschaft vertritt die Auffassung, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass eine Wahl auch dann abzubrechen sei, wenn das Gremium, das als Wahlvorstand auftrete, in dieser Funktion überhaupt nicht bestellt wurde od...