Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Beschlussverfahren. Rechtsanwalt. Gegenstandswert. Regelwert/Hilfswert. wirtschaftliche Auswirkungen auf einzelne Arbeitsverhältnisse
Leitsatz (amtlich)
Der Wert des Streitgegenstandes für die anwaltliche Gebührenberechnung im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren bestimmt sich bei einem Streit zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber darüber, ob eine Maßnahme nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitbestimmungspflichtig ist, grundsätzlich gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz BRAGO nach dem Regelwert von 8.000,– DM. Hiervon kann nach Lage des Falles abgewichen werden, allerdings nicht nach den wirtschaftlichen Auswirkungen, die die mitbestimmungspflichtige Maßnahme auf Arbeitsverhältnisse der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer hat.
Normenkette
BRAGO § 8 Abs. 2 S. 2 Hs. 2; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10
Verfahrensgang
ArbG Kiel (Beschluss vom 04.09.2000; Aktenzeichen 2 BV 56 b/98) |
Tenor
wird die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Kiel vom 05.09.2000 – 2 BV 56 b/98 – zurückgewiesen.
Tatbestand
I
Die Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 1. wenden sich gegen die Wertfestsetzung durch das Arbeitsgericht.
Die Beteiligten zu 1. und 2. haben im Ausgangsverfahren darüber gestritten, ob der Beteiligte zu 1. bei der Anrechnung der Tariferhöhung im Jahre 1998 auf übertarifliche Zulagen mitzubestimmen hatte, nachdem die Beteiligte zu 2. eine in derselben Tarifrunde vereinbarte Tariferhöhung im Jahre 1997 ohne Anrechnung auf übertarifliche Zulagen an die Beschäftigten weitergegeben hatte. Im Betrieb der Beteiligten zu 2. mit knapp 400 Mitarbeitern finden die Tarifverträge der Metallindustrie Anwendung.
Mitwirkung zum 01.01.1997 wurde ein neuer Lohntarifvertrag abgeschlossen, nach dessen § 2 Ziff. 3 alle Beschäftigten für die Monate Januar bis März 1997 einschließlich einen einheitlichen Betrag in Höhe von 200,– DM erhielten; zum 01.04.1997 erhöhte sich der Monatsgrundlohn um 1,5 %, zum 01.04.1998 um 2,5 %. Die prozentuale Tariferhöhung zum 01.04.1997 wurde von der Beteiligten zu 1. an die Beschäftigten weitergegeben. Die Tariferhöhung zum 01.04.1998 rechnete die Beteiligte zu 2. bei den Beschäftigten an, die eine übertarifliche Zulage erhielten. Bei dieser Maßnahme wurde der Beteiligte zu 1. nicht beteiligt.
Den Antrag des Beteiligten zu 1., festzustellen, dass die von der Beteiligten zu 2. durchgeführte Anrechnung der ab 01.04.1998 fälligen tariflichen Lohnerhöhung rechtsunwirksam ist, hat das Arbeitsgericht mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Beteiligte zu 1. bei der – vollständigen – Anrechnung der Tariferhöhung vom 01.04.1998 auf die übertariflichen Zulagen nicht mitzubestimmen gehabt habe.
Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Beschluss des Arbeitsgerichts Kiel vom 17.12.1998 nebst dessen Verweisungen Bezug genommen.
Auf den Antrag der Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 1., den Gegenstandswert auf 54.000,– DM festzusetzen, hat das Arbeitsgericht durch Beschluss vom 04.09.2000 den Wert des Streitgegenstandes auf 8.000,– DM mit der Begründung festgesetzt, dass Gegenstand des Beschlussverfahrens die Anrechnung der Tariferhöhung ohne Wahrung des Mitbestimmungsrechts des Beteiligten zu 1. gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG gewesen sei; diese nichtvermögensrechtliche Streitigkeit sei gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz BRAGO mit dem Regelwert von 8.000,– DM zu bewerten, von dem nach Lage des Falles nicht abzuweichen sei; insbesondere seien die wirtschaftlichen Auswirkungen der mitbestimmungspflichtigen Maßnahme auf die einzelnen Arbeitsverhältnisse der betroffenen Mitarbeiter nicht zu berücksichtigen. Entscheidend sei, dass das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats durch derartige Auswirkungen nicht berührt werde.
Gegen diesen Beschluss haben die Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 1. am 14.09.2000 Gegenstandsbeschwerde eingelegt.
Sie tragen vor:
Der erstinstanzliche Antrag, die durchgeführte Anrechnung der fälligen tariflichen Lohnerhöhung durch die Beteiligte zu 2. für rechtsunwirksam zu erklären, da insoweit der Beteiligte zu 1. nicht mitbestimmt habe, bedeute ökonomisch für einen Dreijahreszeitraum einen Betrag von ca. 540.000,– DM. Der durch das Arbeitsgericht festgesetzte Gegenstandswert von 8.000,– DM sei ein der Bedeutung des Verfahrens absolut unangemessener Gegenstandswert. Die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass bei nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten nach § 8 Abs. 2 BRAGO ein „Regelwert” in Höhe von DM 8.000,– zu bestimmen sei, sei unrichtig: Der Gegenstandswert von 8.000,– DM sei kein Regelwert, von dem nur bei besonderen Umständen abgewichen werden könne, sondern ein Hilfswert für den Fall, dass eine individuelle Bewertung nicht möglich sei. Bevor auf den Hilfswert zurückgegriffen werden dürfe, seien alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um einen Wert zu finden, der für den Rechtsanwalt angemessene und für den Arbeitgeber t...