Entscheidungsstichwort (Thema)

Einsetzung einer Einigungsstelle zur Regelung der Gefährdungsbeurteilung und der Arbeitsschutzunterweisung

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei einer vom Betriebsrat begehrten Regelungen zur Gefährdungsbeurteilung und zur Unterweisung der Beschäftigten nach dem Arbeitsschutzgesetz handelt es sich um mitbestimmungspflichtige Tatbestände gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG, da die Vorschriften des Arbeitsschutzgesetzes über Gefährdungsbeurteilungen nach § 5 und über die Unterweisung der Arbeitnehmer gemäß § 12 ArbSchG Rahmenvorschriften i. S. d. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG sind, bei deren Ausfüllung durch betriebliche Regelungen der Betriebsrat mitzubestimmen hat.

 

Normenkette

ArbGG § 98 Abs. 1; ArbSchG §§ 5, 12, 13 Abs. 2; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 7

 

Verfahrensgang

ArbG Flensburg (Entscheidung vom 31.10.2011; Aktenzeichen 1 BV 46/11)

 

Tenor

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Flensburg vom 31.10.2011 - 1 BV 46/11 - wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Beteiligen streiten um die Einsetzung einer Einigungsstelle zur Regelung der Gefährdungsbeurteilung sowie der Arbeitsschutzunterweisung.

Die Arbeitgeberin und Antragsgegnerin betreibt bundesweit Bekleidungsgeschäfte. Antragsteller ist der für die Filiale in F. gewählte dreiköpfige Betriebsrat.

Der Betriebsrat forderte die Arbeitgeberin wiederholt auf (Schreiben vom 23.12.2010 und 05.07.2011), eine Gefährdungsbeurteilung für alle Arbeitsplätze zu erstellen. Mit Schreiben vom 19.07.2011 forderte der Betriebsrat die Arbeitgeberin erneut auf, Verhandlungen über eine Betriebsvereinbarung "Gefährdungsbeurteilung" aufzunehmen und schlug verschiedene Termine vor. Nachdem die Arbeitgeberin nicht reagiert hatte, erklärte der Betriebsrat das Scheitern der Verhandlungen zur Regelung einer Gefährdungsbeurteilung einschließlich der Arbeitsschutzunterweisung und schlug die Errichtung einer Einigungsstelle vor (Schreiben vom 22.09.2011). Diesem Vorschlag folgte die Arbeitgeberin nicht. Der Betriebsrat beschloss am 27.09.2011, das streitgegenständliche Verfahren einzuleiten.

Bereits im Jahr 1999 hatte die Arbeitgeberin für das gesamte Unternehmen die Gesellschaft für Ar. (GAP) gemäß § 13 Abs. 2 ArbSchG zur Erfüllung zahlreicher Aufgaben nach dem Arbeitsschutzgesetz eingeschaltet. Die GAP ist ein Tochterunternehmen des A.-Konzerns. Sie firmierte im September 2011 zu A. B. (im Folgenden "A.") um. Der zwischen der Arbeitgeberin und der GAP geschlossene Betreuungsvertrag besteht ungekündigt fort. Der Leistungskatalog umfasst u. a. die Gefährdungsbeurteilung und die Unterweisung der Dekorationsmitarbeiter/innen vor Ort. A. führt Gefährdungsanalysen durch. Grundlage ist eine seit dem Jahr 1999 verwendete und seither fortgeschriebene Gefährdungsbeurteilung. Die Fachkräfte für Arbeitssicherheit der A. überprüfen auf der Grundlage dieser Gefährdungsbeurteilung jährlich auch die Filiale in F.. Der Betriebsrat kann an jeder Begehung teilnehmen. A. führt zudem regelmäßig die Unterweisung der Dekorationsmitarbeiter über Sicherheit und Gesundheitsschutz durch. Die Unterweisungen finden einmal jährlich statt. Aufgrund einer weiteren Vereinbarung führt A. bzw. eine von ihr beauftragte Firma die Sicherheitsunterweisung der im Lager tätigen Mitarbeiter durch. A. ist auch mit der Gefährdungsbeurteilung der Arbeitsplätze im Lager beauftragt.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, dass die einzurichtende Einigungsstelle für die Regelungsgegenstände nicht offensichtlich unzuständig sei.

Der Betriebsrat hat beantragt:

1. Der Richter am Arbeitsgericht H., Herr W., wird zum Vorsitzenden der Einigungsstelle bestellt, die über eine Regelung zur Gefährdungsbeurteilung gemäß §§ 4 ff. Arbeitsschutzgesetz sowie über die Regelung bezüglich der Arbeitsschutzunterweisung gemäß § 12 ArbSchG entscheiden soll.

2. Die Zahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer wird auf 3 festgesetzt.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen und hilfsweise, die Anzahl der Beisitzer für jede Seite auf 2 festzulegen.

Sie hat die Ansicht vertreten, die Einigungsstelle sei offensichtlich unzuständig. Aufgrund der Aufgabenübertragung sei die Arbeitgeberin nicht mehr zur Gefahrenanalyse und zur Sicherheitsunterweisung der Dekorateure verpflichtet. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats verhalte sich aber akzessorisch zu den Pflichten des Arbeitgebers. Ohne Gefährdungsanalyse gebe es keine Sicherheitsunterweisung.

Durch Beschluss vom 31.10.2011 hat das Arbeitsgericht die begehrte Einigungsstelle antragsgemäß eingerichtet und die Zahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer auf zwei festgesetzt. Das Arbeitsgericht hat ausgeführt, die einzusetzende Einigungsstelle sei nicht offensichtlich unzuständig. Sowohl bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG, als auch bei der Unterweisung der Mitarbeiter gemäß § 12 ArbSchG bestehe ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. § 13 Abs. 2 ArbSchG wirke sich auf dieses Mitbestimmungsrecht...

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