Entscheidungsstichwort (Thema)

Einigungsstelle. Einsetzung einer Einigungsstelle. Unzuständigkeit (offensichtliche). Gefährdungsbeurteilung. Unterweisung. Betriebsrat. Mitbestimmungsrecht. Aufgabenübertragung. Einigungsstelle zur Regelung der Gefährdungsbeurteilung und der Arbeitsschutzunterweisung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach § 98 Abs. 1 Satz 1 ArbGG kann ein Antrag auf Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden und auf Festsetzung der Zahl der Beisitzer wegen fehlender Zuständigkeit der Einigungsstelle nur dann zurückgewiesen werden, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist; offensichtlich unzuständig ist die Einigungsstelle, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in der fraglichen Angelegenheit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht kommt und sich die beizulegende Streitigkeit zwischen Arbeitgeberin und Betriebsrat erkennbar nicht unter einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand subsumieren lässt.

2. Sowohl bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG als auch bei der anschließenden Unterweisung der Beschäftigten nach § 12 ArbSchG besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats; die Vorschriften des Arbeitsschutzgesetzes über Gefährdungsbeurteilungen nach §§ 5 und 12 ArbSchG sind Rahmenvorschriften im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG, bei deren Ausfüllung durch betriebliche Regelungen der Betriebsrat mitzubestimmen hat.

3. Weder § 13 Abs. 2 ArbSchG noch § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG räumen dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Beauftragung Dritter mit der Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen nach § 5 ArbSchG und Unterweisung nach § 12 ArbSchG ein; der Betriebsrat kann von der Arbeitgeberin nicht verlangen, dass diese die Übertragung der Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen und Unterweisungen auf externe Personen oder Einrichtungen ohne seine zuvor erteilte oder von der Einigungsstelle ersetzte Zustimmung unterlässt.

4. Dem Betriebsrat steht es frei, im Rahmen der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG gegenüber der Arbeitgeberin oder erforderlichenfalls auch in der Einigungsstelle dafür zu sorgen, dass in einer Betriebsvereinbarung generalisierende Regelungen darüber getroffen werden, welche Qualifikationen und Kenntnisse die mit der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung und der Unterweisung befassten Personen besitzen müssen; insoweit ist nicht entscheidend, ob es sich um gemäß § 13 Abs. 2 ArbSchG beauftragte Personen handelt oder ob die Arbeitgeberin eigene Beschäftigte mit diesen Aufgaben betraut.

5. Für die Frage, ob dem Betriebsrat Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bei Gefährdungsbeurteilungen und Unterweisungen zustehen, kommt es nicht darauf an, ob die Aufgabenübertragung nach § 13 Abs. 2 ArbSchG vor oder nach Geltendmachung des Mitbestimmungsrechts durch den Betriebsrat erfolgt; die Mitbestimmung des Betriebsrats ist Wirksamkeitsvoraussetzung für jede der Mitbestimmung gemäß § 87 BetrVG unterliegende Maßnahme der Arbeitgeberin.

 

Normenkette

ArbGG § 98 Abs. 1 S. 1; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 7; ArbSchG §§ 5, 12, 13 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Flensburg (Entscheidung vom 31.10.2011; Aktenzeichen 1 BV 46/11)

 

Tenor

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Flensburg vom 31.10.2011 - 1 BV 46/11 - wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Beteiligen streiten um die Einsetzung einer Einigungsstelle zur Regelung der Gefährdungsbeurteilung sowie der Arbeitsschutzunterweisung.

Die Arbeitgeberin und Antragsgegnerin betreibt bundesweit Bekleidungsgeschäfte. Antragsteller ist der für die Filiale in F. gewählte dreiköpfige Betriebsrat.

Der Betriebsrat forderte die Arbeitgeberin wiederholt auf (Schreiben vom 23.12.2010 und 05.07.2011), eine Gefährdungsbeurteilung für alle Arbeitsplätze zu erstellen. Mit Schreiben vom 19.07.2011 forderte der Betriebsrat die Arbeitgeberin erneut auf, Verhandlungen über eine Betriebsvereinbarung "Gefährdungsbeurteilung" aufzunehmen und schlug verschiedene Termine vor. Nachdem die Arbeitgeberin nicht reagiert hatte, erklärte der Betriebsrat das Scheitern der Verhandlungen zur Regelung einer Gefährdungsbeurteilung einschließlich der Arbeitsschutzunterweisung und schlug die Errichtung einer Einigungsstelle vor (Schreiben vom 22.09.2011). Diesem Vorschlag folgte die Arbeitgeberin nicht. Der Betriebsrat beschloss am 27.09.2011, das streitgegenständliche Verfahren einzuleiten.

Bereits im Jahr 1999 hatte die Arbeitgeberin für das gesamte Unternehmen die Gesellschaft für Ar. (GAP) gemäß § 13 Abs. 2 ArbSchG zur Erfüllung zahlreicher Aufgaben nach dem Arbeitsschutzgesetz eingeschaltet. Die GAP ist ein Tochterunternehmen des A.-Konzerns. Sie firmierte im September 2011 zu A. B. (im Folgenden "A.") um. Der zwischen der Arbeitgeberin und der GAP geschlossene Betreuungsvertrag besteht ungekündigt fort. Der Leistungskatalog umfasst u. a. die Gefährdungsbeurteilung und die Unterweisung der Dekorationsmitarbeiter/innen...

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