Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfebewilligung nur bei Antragstellung vor Beendigung des Rechtsstreits. Prozessbeendigung nach gerichtlich festgestelltem Vergleich. Gerichtlich festgestellter Vergleich nach schriftlichem Vergleichsvorschlag
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe kommt für einen bereits abgeschlossenen Rechtsstreit nicht in Betracht. Grundsätzlich muss der vollständige Antrag mit allen Unterlagen vor Abschluss der Instanz beim zuständigen Gericht vorliegen.
2. Hat das Arbeitsgericht das Zustandekommen eines Vergleichs nach § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt, ist der Rechtsstreit noch nicht beendet. Denn der Beschluss muss erst noch rechtswirksam zugestellt werden (§ 329 Abs. 3 ZPO).
3. Nach § 278 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative ZPO kann ein gerichtlicher Vergleich auch dadurch geschlossen werden, dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag übermitteln. Bei dieser Form des Vergleichsschlusses ist aber jeweils eine eigene Erklärung der Parteien erforderlich. Fehlt eine dieser beiden Erklärungen, kann kein Beschluss nach § 278 Abs. 6 ZPO gefasst werden. Es ist nicht ausreichend, wenn eine Partei nur "im versicherten Einverständnis mit der Gegenseite" dem Gericht den Vergleich vorlegt.
Normenkette
ZPO § 117 Abs. 2, § 127 Abs. 2 S. 2, § 278 Abs. 6, § 329 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Neumünster (Entscheidung vom 26.04.2021; Aktenzeichen 4 Ca 193 c/21) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Prozesskostenhilfe versagende Beschluss des Arbeitsgerichts Neumünster vom 26.04.2021 - 4 Ca 193 c/21 - aufgehoben.
Das Verfahren wird zur erneuten Entscheidung über den Antrag des Klägers auf Prozesskostenhilfe an das Arbeitsgericht zurückverwiesen.
Kosten werden im Beschwerdeverfahren nicht erhoben.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
A.
Der Kläger begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Kündigungsschutzverfahren.
Er hat am 08.03.2021 Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht erhoben. Mit Schriftsatz vom 23.04.2021 hat die Beklagte über ihre Prozessbevollmächtigte mitgeteilt, die Parteien hätten sich zwischenzeitlich gütlich geeinigt. Weiter heißt es in dem Schreiben: "Im versicherten Einvernehmen mit der Gegenseite übersenden wir nachstehenden Vergleichsvorschlag und bitten das Gericht, das Zustandekommen des Vergleichs mit dem nachfolgenden Inhalt gemäß § 278 Abs. 6 ZPO durch Beschluss festzustellen". Es folgt der Vergleichsvorschlag.
Darauf hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom selben Tag den Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt.
Mit Schriftsatz vom 24.04.2021 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers mitgeteilt, dass die Parteien sich geeinigt hätten und im selben Schriftsatz beantragt, dem Kläger Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten zu gewähren. Das Antragsformular werde er nachreichen, da "wegen Corona" keine persönliche Besprechung habe stattfinden können.
Mit Beschluss vom 26.04.2021 hat das Arbeitsgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt, da der Kläger vor Abschluss der Instanz keinen Prozesskostenhilfeantrag in ordnungsgemäßer und wirksamer Form durch Vorlage eines vollständig ausgefüllten Formulars der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gestellt habe.
Gegen den am 27.04.2021 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 11.05.2021 "Beschwerde" eingelegt und zur Begründung ausgeführt, das Gericht habe ohne ihn zu hören und ohne den Vergleichstext zu übermitteln, den Beschluss vom 23.04.2021 erlassen, welcher auch erst am 26.04.2021 versendet worden sei. Das Verfahren sei erst mit Zusendung des Beschlusses beendet. Ferner habe er mitgeteilt, dass eine Besprechung mit dem Mandanten nicht habe stattfinden können, zumal er hierfür einen Dolmetscher für die rumänische Sprache benötige.
Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung übersandt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Akte verwiesen.
B.
Die "Beschwerde" des Klägers ist als sofortige Beschwerde, dem gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthaften Rechtsbehelf, auszulegen und als solche form- und fristgemäß eingelegt und damit zulässig. Sie ist auch in der Sache begründet.
Das Arbeitsgericht durfte den Prozesskostenhilfeantrag nicht mit der Begründung zurückweisen, dieser sei erst nach Abschluss des Verfahrens gestellt. Das ist nicht der Fall. Das Arbeitsgericht muss nunmehr über die Gewährung einer Frist zur Nachreichung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlagen neu entscheiden und danach erneut über den Prozesskostenhilfeantrag. Im Einzelnen gilt Folgendes:
I. Zutreffend ist das Arbeitsgericht allerdings davon ausgegangen, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen bereits abgeschlossenen Rechtsstreit nicht in Betracht kommt. Grundsätzlich muss der vollständige Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit dem ordnungsgemäß...