Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Prozesskostenhilfebewilligung für einen abgeschlossenen Rechtsstreit. Beendigung des Verfahrens bei Zustandekommen eines Vergleichs nach § 278 Abs. 6 ZPO
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen bereits abgeschlossenen Rechtsstreit kommt nicht in Betracht. Prozesskostenhilfe kann nur für eine beabsichtigte Prozessführung, nicht aber für einen bereits abgeschlossenen Prozess bewilligt werden.
2. Maßgebend für die Frage der Beendigung der Instanz ist bei Abschluss eines Vergleiches nach § 278 Abs. 6 ZPO nicht der Zeitpunkt der Zustellung oder sonstigen schriftlichen Bekanntgabe, sondern der Zeitpunkt des Existentwerdens des Beschlusses. Existent wird ein Beschluss, wenn er aus dem inneren Geschäftsbetrieb hinausgegeben wird. Denn ab diesem Zeitpunkt ist der gerichtliche Beschluss nicht mehr abänderbar.
Normenkette
ZPO §§ 117, 278, 127, 329 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Nürnberg (Entscheidung vom 30.01.2023; Aktenzeichen 13 Ca 5089/22) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Prozesskostenhilfe versagende Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 30.01.2023 - 13 Ca 5089/22 - aufgehoben.
2. Das Verfahren wird zur erneuten Entscheidung über den Antrag des Klägers auf Prozesskostenhilfe an das Arbeitsgericht zurückverwiesen.
3. Kosten werden im Beschwerdeverfahren nicht erhoben.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
A.
Der Kläger beantragte mit der Zahlungsklage Prozesskostenhilfe und kündigte die Vorlage der PKH-Erklärung nebst Belegen in Kürze an. Mit Schreiben vom 19.01.2023 teilte der Kläger eine außergerichtliche Einigung mit und bat um Vergleichsprotokollierung im schriftlichen Verfahren nach § 278 Abs. 6 ZPO. Mit weiterem Schreiben vom gleichen Tag bat er um Fristsetzung zur Einreichung von PKH-Erklärung und Belegen bis 28.02.2023. Eine entsprechende Verlängerung der Frist erfolgte nicht.
Nach Zustimmung des Beklagtenvertreters stellte das Erstgericht mit Beschluss vom 26.01.2023 den Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO fest.
Am 29.01.2023 ging die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 27.01.2023, ein Begleitschreiben vom 29.01.2023 und Belege bei Gericht ein.
Am 30.01.2023 ging der Beschluss vom 26.01.2023 in den Auslauf, dem Kläger nach seiner Einlassung zugegangen am 30.01.2023.
Mit Beschluss ebenfalls vom 30.01.2023 wurde der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen, dem Kläger zugegangen am 31.01.2023. Zur Begründung verwies das Erstgericht auf die Erledigung des Verfahrens mit dem Beschluss vom 26.01.2023 am 26.01.2023 und den verspäteten Eingang der Unterlagen erst am 29.01.2023 und damit nach Abschluss des Verfahrens.
Der Kläger legte dagegen am 18.02.2023 sofortige Beschwerde ein, der das Erstgericht mit Beschluss vom 09.03.2023 nicht abhalf und diese dem LAG Nürnberg zur Entscheidung vorlegte. Zur Begründung verwies das Erstgericht auf den Abschluss des Verfahrens am 26.01.2023, den Eingang des vollständigen Antrages auf Gewährung von Prozesskostenhilfe erst danach am 29.01.2023 und einen nicht gerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht des Klägers der allgemeinen Handlungsfreiheit bei einer gerichtlichen Entscheidung über seinen Fristverlängerungsantrag vom 19.01.2023. Der Kläger macht in der Stellungnahme vom 31.03.2023 weiter geltend, das Verfahren sei erst mit Zustellung des Beschlusses über den Vergleich abgeschlossen.
B.
1. Die sofortige Beschwerde ist statthaft und wurde auch form- und fristgerecht eingelegt nach § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO.
2. Die Beschwerde ist auch begründet. Das Erstgericht durfte den Prozesskostenhilfeantrag nicht mit der Begründung zurückweisen, dieser sei erst nach Abschluss des Verfahrens gestellt. Das Erstgericht muss nunmehr über den Prozesskostenhilfeantrag entscheiden.
Im Einzelnen ist auf Folgendes hinzuweisen:
Noch zutreffend ist das Erstgericht davon ausgegangen, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen bereits abgeschlossenen Rechtsstreit nicht in Betracht kommt. Prozesskostenhilfe kann nur für eine beabsichtigte Prozessführung, nicht aber für einen bereits abgeschlossenen Prozess bewilligt werden kann.
Prozesskostenhilfe kann rückwirkend und sogar noch nach Abschluss des Verfahrens bewilligt werden, wenn der Antragsteller noch während des Hauptsacheverfahrens alles ihm Zumutbare getan hat, um eine Bewilligungsentscheidung herbeizuführen, sein Antrag aber noch nicht verbeschieden worden ist, oder wenn er schuldlos notwendige Bewilligungsunterlagen nicht mehr rechtzeitig einreichen konnte. Die Rückwirkung kann jedoch nicht weiter als zu dem Zeitpunkt erstreckt werden, in dem der Antragsteller durch einen formgerechten Antrag unter Beifügung der erforderlichen Unterlagen von seiner Seite aus nach § 117 ZPO die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe geschaffen hat.
Die entsprechenden Unterlagen hat der Kläger hier am 29.01.2023 bei Gericht eingehend eingereicht. Auf den Antrag vom 19.01.2023 auf ...