Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe. Beiordnung eines Rechtsanwalts. Versagung. Klage. Entschädigung. Einstellung. Bewerbung. Vorstellungsgespräch. Benachteiligung. Darlegungs- und Beweislast

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Tatsache, dass ein Kläger mehrere Benachteiligungsmerkmale i.S.v. § 1 AGG in sich trägt, reicht zur Darlegung der Anspruchsvoraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch ebenso wenig aus, wie die bloße Behauptung, er sei mit großer Wahrscheinlichkeit aufgrund dieser Merkmale benachteiligt worden. Ließe man eine solche Behauptung ausreichen, könnte jeder, der zu einer durch das Gesetz geschützten Personengruppe gehört und ein Merkmal, das nicht in die Entscheidung einfließen darf, erfüllt, ohne jeden weiteren Ansatzpunkt versuchen, seine angeblichen Rechte durchzusetzen.

 

Normenkette

ZPO §§ 114, 119 Abs. 1 S. 2; AGG § 7 Abs. 1, §§ 1, 22

 

Verfahrensgang

ArbG Neumünster (Urteil vom 21.11.2007; Aktenzeichen 3 Ca 1016 d/07)

 

Tenor

1. Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für die Durchführung der Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 21.11.2007 (3 Ca 1016 d/07) wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin begehrt Gewährung von Prozesskostenhilfe sowie Beiordnung eines Rechtsanwalts zur Durchführung der Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 21.11.2007 (3 Ca 1016 d/07). In dem zugrundeliegenden Verfahren stritten die Parteien um Zahlung einer Entschädigung wegen von der Klägerin behaupteter Benachteiligungen bei der Stellenbewerbung.

Die Beklagte berät Unternehmen in IT-Angelegenheiten. Sie schrieb im Internetportal des Hamburger Abendblatts je eine Stelle für einen „Softwareentwickler (m/w) Microsoft. NET” und einen „Entwickler (m/w) ORACLEPL/SQL” aus. Wegen des Wortlauts der Stellenausschreibungen wird auf Bl. 3 und 4 d. A. verwiesen.

Die Klägerin ist Softwareentwicklerin und stammt aus Russland. Sie bewarb sich am 13.05.2007 per E-Mail auf die beiden von der Beklagten ausgeschriebenen Stellen. Wegen des Inhalts ihres Bewerbungsschreibens wird auf Bl. 2 d. A. verwiesen. Dieser E-Mail hatte sie als Anhang diverse Unterlagen beigefügt (vgl. Bl. 47 ff. d. A.).

Die Beklagte lud die Klägerin nicht zum Vorstellungsgespräch ein. Vielmehr erteilte sie ihr per E-Mail vom 18.06.2007 eine Absage, die wie folgt formuliert war:

„Sehr geehrte Frau M…,

besten Dank für Ihre Bewerbung und das damit verbundene Interesse an einer Zusammenarbeit mit unserem Unternehmen! Nach sorgfältiger Prüfung aller Bewerbungen und der bisher geführten Gespräche werden wir Ihnen keinen Arbeitsplatz in unserem Unternehmen anbieten können. Wir wünschen Ihnen für Ihre Zukunft alles Gute!

Mit einem freundlichen Gruß”

Jedenfalls eine der beiden ausgeschriebenen Stellen hat die Beklagte mittlerweile besetzt, und zwar mit einem männlichen Bewerber.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, sie sei aufgrund ihrer Qualifikation für beide Stellen sehr gut geeignet. Dass sie keine Einladung zum Vorstellungsgespräch erhalten habe, liege mit sehr großer Wahrscheinlichkeit daran, dass die Beklagte sie wegen ihres Geschlechts, ihres Alters und ihrer Herkunft diskriminiert habe. Aufgrund ihrer Vorbildung, Berufserfahrung sowie fachlichen und sonstigen Eignung kämen als Ablehnungsgründe nur außerfachliche in Betracht. Die Klägerin hat gemeint, die Beklagte sei verpflichtet, ihr die Bewerbungsunterlagen der eingestellten und der zum Vorstellungsgespräch eingeladenen Bewerber sowie den Nachweis, dass die Beklagte niemanden für die weitere ausgeschriebene Stelle eingestellt hat, vorzulegen. Ferner müsse sie angeben, wie viele Männer und Frauen sie in der Softwareentwicklung beschäftige.

Wegen der Benachteiligung nach § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) müsse die Beklagte ihr 6 Monatsgehälter als Entschädigung zahlen. Das angemessene Monatsgehalt für einen Softwareentwickler belaufe sich auf etwa 3.000,– EUR.

Demgemäß hat die Klägerin erstinstanzlich die Zahlung einer Entschädigung von 18.000,– EUR beantragt. Ferner hat sie beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die Bewerbungsunterlagen einschließlich Anschreiben und Arbeitsverträgen der anstatt der Klägerin als Softwareentwickler/in Microsoft.NET und als Entwickler/in ORACLE und PL/SQL eingestellten Bewerber vorzulegen.

Die Beklagte hat ihren Klagabweisungsantrag damit begründet, dass die Klage rechtsmissbräuchlich sei, weil die Klägerin mindestens vier Arbeitgeber mit entsprechenden Entschädigungsklagen überzogen habe. Sie, die Beklagte, habe die Klägerin nicht benachteiligt. Aus dem Bewerbungsanschreiben habe sie nur das Geschlecht der Klägerin, nicht aber deren Alter und Herkunft entnehmen können. Bereits nach dem Inhalt des Anschreibens sei die Klägerin nicht in die engere Wahl gezogen worden, und zwar nicht nur deshalb, weil sich die in dem Anschreiben genannten Kenntnisse der Klägerin überwiegend auf nicht mehr aktuelle Datenbanke...

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