Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert; Abmahnung; Personalakte; Entfernung; Widerruf; Rücknahme; Streitgegenstand; Rechtskraft; Verwertungsverbot
Leitsatz (amtlich)
Beantragt der Arbeitnehmer im Abmahnungsprozess nicht nur die Entfernung der Abmahnung aus seiner Personalakte, sondern zusätzlich den Widerruf oder die Rücknahme der Abmahnung durch den Arbeitgeber, ist dieses weitergehende Rechtsschutzziel streitwertmäßig gesondert zu berücksichtigen. Es handelt sich um unterschiedliche Streitgegenstände, die nicht notwendig rechtlich einheitlich zu beurteilen sein müssen. Auch nach Zielrichtung und Rechtsfolgen (Rechtskrafterstreckung, Vollstreckung) sind beide Anträge nicht identisch.
Das Entfernungsverlangen ist regelmäßig mit einer halben Monatsvergütung angemessen und ausreichend bewertet (ständ. Rspr. der Beschwerdekammer, vgl. Beschluss vom 6.7.1994 – 6 Ta 28/94 –; Beschluss vom 12.3.1997 – 6 Ta 44/97).
Für den zusätzlich gestellten Antrag auf Widerruf bzw. Rücknahme der Abmahnung ist im allgemeinen ebenfalls ein halber Monatsverdienst anzusetzen, wenn nicht besondere Umstände im Einzelfall einen höheren oder niedrigeren Wert gerechtfertigt erscheinen lassen.
Normenkette
BRAGO § 9 Abs. 2; GKG § 25 Abs. 2-3; ZPO § 3; ArbGG § 12 Abs. 7
Verfahrensgang
ArbG Kiel (Entscheidung vom 24.10.2000; Aktenzeichen 2 Ca 2365 a/00) |
Gründe
Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers ist zulässig. Sie ist nach § 9 Abs. 2 BRAGO i. V. m. § 25 Abs. 3 GKG statthaft.
Die Beschwerde ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 25 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 S. 3 GKG).
Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.
Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend den Streitwert in Höhe eines Bruttomonatsgehaltes festgesetzt.
Zu Recht das Arbeitsgericht ausgeführt, dass es sich bei Streitigkeiten um eine Abmahnung um vermögensrechtliche Streitigkeiten handelt. Deren Bewertung richtet sich nach § 3 ZPO. Bei der richterlichen Ermessensentscheidung sind die tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten, die Bedeutung der Sache, das Interesse der Person, die das Verfahren betreibt, am Erfolg des Verfahrens, die Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien und zusätzlich die Bewertungsmassstäbe des § 12 Abs. 7 ArbGG zu berücksichtigen. Danach stellt bei Kündigungsstreitigkeiten der dreifache Monatsverdienst die Obergrenze dar. Der Gesetzgeber hat mit dieser Regelung zum Ausdruck gebracht, dass er die Verfahrenskosten niedriger halten wollte als bei Anwendung der allgemeinen Kriterien nach der ZPO. Die Rechtsstreitigkeiten über Abmahnungen haben regelmäßig eine erheblich geringere Bedeutung als Kündigungsrechtsstreitigkeiten, deren Vorbereitung sie lediglich dienen. Deshalb muss der Streitwert des Abmahnungsprozesses deutlich unter dem Wert des Kündigungsschutzprozesses liegen (LAG Hamm, Beschluss vom 05.07.1984 in: KostRsp. ArbGG § 12 Nr. 93; LAG Bremen, Beschluss vom 03.05.1983 in: KostRsp. ArbGG § 12 Nr. 73). Die Bewertung im einzelnen ist streitig. Teilweise wird ein derartiges Verfahren mit ½ Bruttomonatsverdienst, mit 1 Bruttomonatsverdienst oder auch mit 2 Bruttomonatsverdiensten bewertet (vgl. LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 07.06.1995 – 1 Ta 63/95 – mit ausführlichen Nachweisen aus der Rechtsprechung).
Aufgrund der gestellten Anträge ist die Streitwertfestsetzung durch das Arbeitsgericht nicht zu beanstanden. Es entspricht billigem Ermessen, wenn der Streitwert für eine Abmahnung auf einen Monatsverdienst angesetzt wird (Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 9. Aufl., § 61 Rn. 83 m. w. Nachw.). Dies gilt allerdings nicht unterschiedslos, sondern nur, wenn nicht besondere Umstände des Falles, die hier nicht ersichtlich sind, eine abweichende Beurteilung nach oben oder unten rechtfertigenund wenn – wie hier – nicht nur die bloße Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte, sondern zusätzlich deren Widerruf geltend gemacht werden. Gegen eine Abmahnung sind unterschiedliche Rechtsschutzformen denkbar. Je nach Klagantrag kann der Arbeitgeber zum Widerruf bzw. zur Rücknahme oder zur Entfernung eines aktenkundigen Schriftstücks oder zu beidem verurteilt werden. Inhalt und Tragweite dieser Ansprüche können durchaus unterschiedlich sein (vgl. Kammerer „Die Berichtigung der Personalakte bei unzutreffenden Abmahnungen” in BB 1991, 1926 ff.) Der Anspruch auf Entfernung einer aktenkundigen Abmahnung ist zunächst nichts anderes als ein Anspruch auf Vernichtung der Urkunde im weiteren Sinn, also auf Beseitigung der von der schriftlichen Verkörperung der Abmahnung ausgehenden Störung (so zutreffend Kammerer „Abmahnung und Persönlichkeitsschutz im Arbeitsverhältnis” in: BB 1980, 1590). Das Rücknahme- und Widerrufsverlangen greifen weiter. Sie zielen auf Beseitigung des der Abmahnung zugrundeliegenden ungerechtfertigten Vorwurfs durch dahingehende entsprechende Erklärungen des Arbeitgebers, zu deren Abgabe er im Fall des Obsiegens des Arbeitnehmers verurteilt werden kann. Zu Recht weist Schaub („Die arbeitsrechtliche Abmahnung” in NJW ...