Entscheidungsstichwort (Thema)
Abmahnung, Ermahnung, Streitwert, Gegenstandswert
Leitsatz (amtlich)
Bei Streitigkeiten um die Berechtigung einer Abmahnung ist der Streitwert in der Regel auf ein Drittel des Streitwertes eines fiktiven Kündigungsrechtsstreits festzusetzen.
Normenkette
ZPO § 3; ArbGG § 12 Abs. 7
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Beschluss vom 08.03.1995; Aktenzeichen 2 Ca 3626/94) |
Tenor
wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Lübeck vom 08.03.1995 teilweise abgeändert.
Der Gegenstandswert wird auf 9.204,50 DM festgesetzt.
Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Tatbestand
I. Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 01.12.1986 als Büroleiterin zu einem monatlichen Bruttogehalt von zuletzt 5.803,– DM beschäftigt. Mit ihrer Klage begehrte sie die Entfernung einer Ermahnung vom 16.11.1994 und einer Abmahnung vom 08.12.1994 sowie Auskunft über von ihr geleistete Mehrarbeit.
Nach der Erledigung des Rechtsstreits beantragten die Klägervertreter Streitwertfestsetzung. Das Arbeitsgericht bewertete die Anträge auf Entfernung der Ermahnung und der Abmahnung mit jeweils einem halben Monatsgehalt und den Antrag auf Auskunftserteilung mit 500,– DM. Dementsprechend setzte es den Gegenstandswert durch Beschluß vom 08.03.1995 auf 6.303,– DM fest.
Gegen diesen Beschluß haben die Klägervertreter mit einem am 17.03.1995 beim Arbeitsgericht Lübeck eingegangenen Schriftsatz vom 16.03.1995 Beschwerde eingelegt. Sie sind der Ansicht, die „Abmahnung vom 16.11.1994” und die Abmahnung vom 08.12.1994 seien jeweils mit einem Bruttomonatsgehalt zu bewerten.
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde unter Bezugnahme auf den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 06.07.1994 – 6 Ta 28/94 – nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
II. Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet.
1. Zu der Frage, wie ein Antrag auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte zu bewerten ist, werden unterschiedliche Auffassungen vertreten. Dem LAG Düsseldorf zufolge bemißt sich der Streitwert für eine Klage auf Rücknahme einer Abmahnung in der Regel auf zwei Monatseinkommen (Beschl. v. 05.01.1989 – 7 Ta 400/88 – JurBüro 1989, 954). Überwiegend wird angenommen, daß der Streitwert bei solchen Verfahren im allgemeinen auf ein Monatseinkommen festzusetzen ist (LAG Hamm, Beschl. v. 05.07.1984 – 8 Ta 115/84 – EzA § 12 ArbGG 1979 Streitwert Nr. 31, LAG Frankfurt, Beschl. v. 01.03.1988 – 6 Ta 60/88 – LAGE § 12 ArbGG 1979 Streitwert Nr. 72, LAG Hamm, Urt. v. 16.08.1989 – 2 Sa 3008/89 – NZA 1990, 328, LAG Hamburg, Beschl. v. 12.08.1991 – 1 Ta 6/91 – LAGE § 12 ArbGG 1979 Streitwert Nr. 94, LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. 20.12.1993 – 6 Ta 258/93 – ARST 1994, 137). Im Rahmen einer eingeschränkten Ermessensüberprüfung hat das LAG Nürnberg die Bewertung von Abmahnungsstreitigkeiten mit einem Monatsverdienst nicht beanstandet (Beschl. v. 11.11.1992 – 6 Ta 153/92 – NZA 1993, 430). Im Ergebnis ähnlich ist die Rechtsprechung des LAG Bremen, wonach bei einem Rechtsstreit über eine Abmahnung im Regelfall ein Wert, der ein Drittel des fiktiven Kündigungsrechtsstreits ausmacht, angemessen ist (Beschl. v. 03.05.1983 – 4 Ta 32/83 – KostRsp ArbGG § 12 Nr. 73). Nach der älteren Rechtsprechung der VI. Kammer des LAG Rheinland-Pfalz (Urt. v. 02.07.1982 – 6 Sa 150/82 – BB 1982, 1799) und ihr folgend der I. Kammer jenes Gerichts (Beschl. v. 15.07.1986 – 1 Ta 84/86 – LAGE § 12 ArbGG 1979 Nr. 60) ist ein halbes Monatsgehalt angemessen. Dem hat sich die VI. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein in seinem Beschluß vom 06.07.1994 – 6 Ta 28/94 – für den Regelfall angeschlossen. Soweit in diesem Beschluß auch eine Entscheidung „LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 28.11.1983 – 5 Sa 506/83 –” als Beleg angeführt wird, handelt es sich um eine nicht existente Entscheidung. Es gibt in der Sache 5 Sa 506/83 ein Urteil vom 16.01.1984, in dem es ohne Begründung heißt, der Streitwert bei Abmahnungen belaufe sich zwar regelmäßig auf die Hälfte des monatlichen Bruttoverdienstes, im zu entscheidenden Fall sei jedoch der vom Gericht erster Instanz festgesetzte Streitwert – ein Monatsverdienst – nicht offensichtlich unrichtig. Das LAG Köln vertritt in seinem Urteil vom 19.12.1985 – 3 Sa 810/85 – LAGE § 64 ArbGG 1979 Nr. 10 eine Mittelmeinung: In der Regel sei ein Wert von einem halben bzw. einem Monatsgehalt angemessen.
2. Die I. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein schließt sich der Auffassung des LAG Bremen aus folgenden Gründen an:
Der Streit um die Berechtigung einer Abmahnung ist eine vermögensrechtliche Streitigkeit, deren Bewertung sich nach § 3 ZPO richtet. Zu bewerten ist das Interesse der Person, die das Verfahren betreibt, am Erfolg des Verfahrens. Dieses Interesse besteht bei Abmahnungsstreitigkeiten in erster Linie in der Ausräumung der Gefährdung für den Bestand des Arbeitsverhältnisses. Der Streitwert bei Abmahnungsstreitigkeiten ist deshalb in Relation zum Streitwert bei Bestandsschutzstreitigkeiten zu sehen. Nach § 12 Abs. 7 ArbGG können bei Besta...