REVISION / ZUGELASSEN / RECHTSBESCHWERDE / REVISIONSBESCHWERDE NEIN
Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozeßkostenhilfe. Beschwerde der Staatskasse. Tabelle zu § 114 ZPO. Wirtschaftslage. Abfindung. Anrechnung. Begründung
Leitsatz (amtlich)
Die Tabelle zu § 114 ZPO ist bei der Entscheidung über die Gewährung von Prozeßkostenhilfe als geltendes Gesetzesrecht unmittelbar anzuwenden. Gestiegene Lebenshaltungskosten rechtfertigen nicht, die Tabelle nicht oder modifiziert anzuwenden, denn es handelt sich bei der Gewährung von Prozeßkostenhilfe um Sozialleistungen, die der Gesetzgeber, nicht aber das Gericht von sich aus verändern darf. Das Gericht hat bei der Überprüfung der wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse auch vom Arbeitgeber zu gewährende Abfindungen anzurechnen. Das Gericht hat seine Entscheidung über die Gewährung von Prozeßkostenhilfe auch zu begründen, wenn Prozeßkostenhilfe ohne Eigenbeteiligung des Bedürftigen gewährt wird, es hat insbesondere die Erfolgsaussicht der Rechtsposition des Bedürftigen und die Frage der Mutwilligkeit zu prüfen.
Normenkette
ZPO §§ 114-115, 120, 124, 127, 575; GG Art. 97
Verfahrensgang
ArbG Elmshorn (Beschluss vom 03.08.1992; Aktenzeichen 3b Ca 779/92) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Staatskasse werden der Beschluß des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 3. August 1992 – 3b Ca 779/92 – und der Nichtabhilfebeschluß des Arbeitsgerichts vom 9. Dezember 1992 aufgehoben.
Das Arbeitsgericht Elmshorn wird angewiesen, über den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe unter Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin zu entscheiden, wie sie sich zu der Zeit der erneuten Nichtabhilfeentscheidung darstellen. Es hat dazu die §114 ZPO als Anlage 1 beigefügte Tabelle ohne Berücksichtigung gestiegener Kosten der Lebenshaltung als maßgebend anzuwenden.
Tatbestand
I.
Die Klägerin hat mit ihrer Klage beantragt festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose, vorsorglich fristgerechte Kündigung vom 26. Juni 1992 nicht aufgelöst worden ist, sondern fortbesteht. Im Gütetermin vom 30. Juli 1992 hat sie eine Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse überreicht und beantragt, ihr Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwalts D. aus Q. zu bewilligen.
Unter dem 3. August 1992 hat das Arbeitsgericht ihr für das Verfahren erster Instanz Prozeßkostenhilfe ohne Zahlungsbestimmung mit Wirkung vom 30. Juli 1992 bewilligt und ihr Rechtsanwalt H. D. aus Q. beigeordnet. Er hat dies damit begründet:
Bei Berücksichtigung der Unterhaltsverpflichtung der Klägerin ihrer Tochter gegenüber ergebe sich aus der Tabelle zu § 114 ZPO, daß ihr Prozeßkostenhilfe ohne Zahlungsbestimmung zu gewähren sei. Bei ihr sei als besondere Belastung die Steigerung der Lebenshaltungskosten seit dem 1. Januar 1979 zu berücksichtigen. In der Tabelle Anlage 1 a zu § 114 ZPO sei u. a. der doppelte Eckregelsatz für Haushaltsvorstände und Alleinstehende nach § 22 BSHG nach dem Stand vom 1. Januar 1979 mit 594,– DM zugrunde gelegt. Da eine Anpassung der Tabellenwerte an die gestiegenen Lebenshaltungskosten nicht erfolgt sei, sei sie im Vergleich zu einer Antragstellerin, die 1980 Prozeßkostenhilfe beantragt habe, durch erheblich höhere Lebenshaltungskosten besonders belastet. Eine Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage enthält der Beschluß nicht.
Gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts hat der Bezirksrevisor mit der Beschwerde vom 7. August 1992, beim Arbeitsgericht am 12. August 1992 eingegangen, beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses die Zahlung monatlicher Raten in Höhe von 40,– DM festzusetzen, weil die Klägerin sich an den Kosten der Prozeßführung beteiligen könne. Das Ehegatteneinkommen sei zu berücksichtigen, danach ergebe sich unter Zugrundelegung der von der Klägerin gemachten Angaben nach der maßgeblichen Tabelle ein monatlicher Betrag in Höhe von 40,– DM, mit dem sich die Klägerin an den Prozeßkosten zu beteiligen habe. Die gestiegenen Lebenshaltungskosten rechtfertigten es nicht, von anderen als den gesetzlichen Einkommensgrenzen auszugehen.
Das Arbeitsgericht hat in seiner Nichtabhilfeentscheidung vom 9. Dezember 1992 gemeint, daß die Steigerung der Lebenshaltungskosten seit 1979 als besondere Belastung im Sinne des § 115 Abs. 1 Satz 3 2. Halbsatz ZPO zulässig und sachlich geboten sei, eine Umgehung der gesetzlichen Regelung stelle das nicht dar.
Wegen des weiteren Inhalts der angefochtenen Beschlüsse und der Beschwerde wird auf deren jeweiligen Inhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde der Staatskasse ist statthaft, denn gegen die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe findet die Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde ist fristgerecht, nämlich vor Ablauf von drei Monaten seit Verkündung des Beschlusses des Arbeitsgerichts erhoben worden (§ 127 Abs. 3 Satz 3 ZPO). Da die Beschwerde darauf gestützt worden ist, daß die...