REVISION / RECHTSBESCHWERDE / REVISIONSBESCHWERDE ZUGELASSEN NEIN
Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozeßkostenhilfe. Beschwerde der Staatskasse. Anlage 1 zu § 114 ZPO. gestiegenen Lebenshaltungskosten. besondere Belastung
Leitsatz (amtlich)
Die allgemeine Steigerung der Lebenshaltungskosten stellt keine „besondere Belastung” i.S.d. § 115 Abs. 1 Satz 3 ZPO dar. Es ist ausschließlich dem Gesetzgeber vorbehalten, die Tabelle Anlage 1 zu § 114 ZPO zu ändern oder „dynamisch” zu gestalten. Die Gerichte sind an die Tabelle gebunden. Es besteht kein Anlaß für eine Richtervorlage gemäß Art. 100 Abs. 1 GG i.V. mit § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG.
Normenkette
ZPO §§ 114, 115 Abs. 1, §§ 120, 127 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Elmshorn (Beschluss vom 08.07.1993; Aktenzeichen 3a Ca 774/93) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Staatskasse wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 08.07.1993 – 3a Ca 774/93 – unter Aufhebung des Nichtabhilfebeschlusses vom 30.09.1993 dahin abgeändert, daß sich der Kläger an den Kosten der Prozeßführung mit monatlichen Raten i. H. v. 60,– DM zu beteiligen hat.
Tatbestand
I.
Das Arbeitsgericht Elmshorn hat durch Beschluß vom 08.07.1993 dem Kläger für das Verfahren I. Instanz Prozeßkostenhilfe mit Wirkung vom 06.05.1993 unter Beiordnung von Rechtsanwalt B. aus Itzehoe zu den Sätzen eines Elmshorner Anwalts ohne Zahlungsbestimmung bewilligt. Das Gericht hat seinen Beschluß wie folgt begründet:
Der Kläger beziehe ein monatliches Arbeitslosengeld i. H. v. ca. 1.272,– DM. Unter Berücksichtigung der abzugsfähigen Belastungen i. H. v. insgesamt 344,90 DM und der durch die Steigerung der Lebenshaltungskosten seit dem 01.01.1979 veranlaßten besonderen Belastung, die gem. § 115 Abs. 1 ZPO berücksichtigt werden müßte, beliefen sich die Nettoeinkünfte des Klägers auf weniger als 850,– DM monatlich. In der Tabelle Anlage 1 zu § 114 ZPO sei u. a. der doppelte Eckregelsatz für Haushaltsvorstände und Alleinstehende nach § 22 BSHG nach dem Stand vom 01.01.1979 mit 594,– DM zugrunde gelegt. Da eine Anpassung der Tabellenwerte an die gestiegenen Lebenshaltungskosten nicht erfolgt sei, sei der Kläger im Vergleich zu einem Antragsteller, der 1980 Prozeßkostenhilfe beantragt habe, durch erheblich höhere Lebenshaltungskosten besonders belastet. Da der doppelte Eckregelsatz in Schleswig-Holstein derzeit 936,– DM betrage, mache die bei dem Kläger zu berücksichtigende besondere Belastung 342,– DM aus (936,– DM abzgl. 594,– DM).
Die Klage sei auch nicht offensichtlich mutwillig erfolgt und die Durchführung des Rechtsstreits habe hinreichende Erfolgsaussichten.
Gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts hat die Bezirksrevisorin am 14.07.1993 Beschwerde eingelegt und beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses die Zahlung monatlicher Raten i. H. v. 60,– DM festzusetzen.
Die Bezirksrevisorin hat dazu ausgeführt: Dem Kläger verbleibe nach Abzug der berücksichtigungsfähigen Belastungen ein monatliches Nettoeinkommen i. H. v. 924,50 DM. Da der Kläger ledig und niemandem zum Unterhalt verpflichtet sei, ergebe sich nach der maßgeblichen Tabelle eine monatliche Rate i. H. v. 60,– DM, mit der sich der Kläger an den Prozeßkosten zu beteiligen habe. Die gestiegenen Lebenshaltungskosten rechtfertigten keine Abweichung von den gesetzlichen Einkommensgrenzen durch die Gerichte.
Das Arbeitsgericht hat durch Beschluß vom 30.09.1993 der Beschwerde nicht abgeholfen und zur Begründung seine bisherigen Ausführungen in dem angefochtenen Beschluß erweitert und vertieft.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde der Bezirksrevisorin ist statthaft; sie wurde auch form- und fristgerecht eingelegt (§ 127 Abs. 3 S. 3 ZPO). Die Beschwerde wurde zulässigerweise nur darauf gestützt, daß der Kläger nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Ratenzahlungen zu leisten hat.
Die Beschwerde ist auch begründet.
Die hier streitige Frage der Berücksichtigung der Steigerung der Lebenshaltungskosten als besondere Belastung i. S. v. § 115 Abs. 1 S. 3 ZPO hat das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein bereits wiederholt zutreffend dahin entschieden, daß eine solche Anrechnung nicht in Betracht kommt, weil sie gegen geltendes Gesetzesrecht verstößt und eine Rechtsfortbildung durch Richterrecht nicht möglich ist. Der Richter sei nicht befugt, kraft eigener Willensentschlüsse rein nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten allgemeinverbindliches Recht zu erzeugen oder ihm nicht genehmes Gesetzesrecht zu ändern. Eine der Steigerung der Lebenshaltungskosten angepaßte Erhöhung der Tabellen widerspreche der gesetzlichen Regelung. Mit der besonderen Belastung gem. § 115 Abs. 1 S. 3 ZPO solle der individuellen wirtschaftlichen Lage des einzelnen Antragstellers Rechnung getragen, jedoch nicht eine fortlaufende Änderung der Tabelle zu § 114 ZPO ermöglicht werden. Es obliege allein dem Gesetzgeber, die finanziellen Belastungen, die durch die Gewährung von Prozeßkostenhilfe entstehen, zu beurteilen und entsprechende Regeln aufzustellen. Es bestehe auch kein Anlaß, die Sache wegen ...