Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsweg. sic-non-Fall. Haupt- und Hilfsantrag. Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei Streitigkeiten, bei denen der geltend gemachte Anspruch nur bestehen kann, wenn der Kläger Arbeitnehmer ist, genügt die "Rechtsbehauptung" des Klägers, er sei Arbeitnehmer, um die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten zu begründen ("sic-non-Fall").

2. Ob ein sic-non-Fall vorliegt, ist für jeden angekündigten Hauptantrag getrennt zu prüfen.

3. Ein Kündigungsschutzantrag mit dem Inhalt festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch eine bestimmte Kündigung nicht aufgelöst worden ist, kann nur Erfolg haben, wenn der Kläger Arbeitnehmer ist, da Inhalt dieses Antrags auch die Feststellung ist, dass bei Zugang der Kündigung ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestand.

4. Auch für einen Antrag, ein Arbeitsverhältnis nach einem nur für (gewerbliche) Arbeitnehmer geltenden Tarifvertrag abzurechnen, ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten stets eröffnet.

5. Ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für einen Hauptantrag eröffnet, ist über die Frage, ob über einen hilfsweise gestellten Antrag auch das Arbeitsgericht zu entscheiden hat, erst nach Abweisung des Hauptantrags zu entscheiden.

 

Normenkette

ArbGG § 48; GVG §§ 17, 17a

 

Verfahrensgang

ArbG Kiel (Entscheidung vom 10.05.2012; Aktenzeichen 5 Ca 267 a/12)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Kiel vom 10.05.2012 - 5 Ca 267 a/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Zur Klarstellung wird der Tenor der arbeitsgerichtlichen Entscheidung wie folgt gefasst:

Hinsichtlich des Antrags aus der Klage vom 14.02.2012 sowie hinsichtlich des Hauptantrags aus dem Schriftsatz vom 25.04.2012 ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten er- öffnet.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten im Rahmen ihres Arbeitsgerichtsprozesses zunächst um die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten.

Die Klägerin bezog seit Januar 1993 neben einer Witwenrente eine Rente wegen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit. Am 01.06.1993 übernahm sie die Reinigungsfirma "Putzteufel", die sie zunächst als Inhaberin führte. Da die Unternehmensgewinne den Rentenbezug gefährdeten, übertrug die Klägerin die Firma im Jahre 1996 auf ihre Tochter, die Beklagte. Die Parteien schlossen am 01.03.1997 einen Arbeitsvertrag (Bl. 63, 64 d. A.). Danach war die Klägerin in den folgenden Jahren auf Basis eines sozialversicherungsfreien geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses tätig und verdiente zuletzt 400,-- €. Tatsächlich führte die Klägerin die Firma wie eine Inhaberin fort. Mit Schreiben vom 09.05.2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, nunmehr werde sie selbst den Betrieb weiter fortführen. Hierüber kam es in der Folgezeit zu Streitigkeiten. Mit Schreiben vom 26.01.2012 kündigte die Beklagte das "Beschäftigungsverhältnis" der Klägerin fristlos (Bl. 15 d. A.).

Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben und folgende Anträge angekündigt:

1. Festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 26.01.2012 nicht aufgelöst worden ist und auch nicht auf- gelöst werden wird,

2. die Beklagte zu verurteilen, die Vergütungsansprüche der Klägerin für die Monate September 2011 bis einschließlich April 2012 auf der Grundlage der Lohngruppe 7 des Lohntarifvertrages für die gewerblich Beschäftigten in der Gebäudereinigung in der jeweils gültigen Fassung bei Zugrundelegung einer wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden abzurechnen und die Auszahlung der Differenzvergütungsansprüche unter Berücksichtigung der in den Monaten September 2011 bis Januar 2012 bereits erfolg- ten Zahlung eines Betrages in Höhe von 400,-- € netto an die Klägerin zu veranlassen.

Hilfsweise wird beantragt, die Beklagte zu verurteilen:

1. an die Klägerin für September 2011 einen Betrag in Höhe von 2.120,95 € brutto abzüglich hierauf mit Wertstellung zum 30.09.2011 gezahlter 400,-- € netto,

2. für Oktober 2011 einen Betrag in Höhe von 2.120,95 € brutto abzüglich hierauf mit Wertstellung zum 01.11.2011 gezahlter 400,-- € netto,

3. für November 2011 einen Betrag in Höhe von 2.120,95 € brutto abzüglich hierauf mit Wertstellung zum 30.11.2011 gezahlter 400,-- € netto,

4. für Dezember 2011 einen Betrag in Höhe von 2.120,95 € brutto abzüglich hierauf mit Wertstellung zum 29.12.2011 gezahlter 400,-- € netto,

5. für Januar 2012 einen Betrag in Höhe von 2.186,86 € brutto abzüglich hierauf mit Wertstellung zum 30.01.2012 gezahlter 400,-- € netto,

6. für Februar, März und April 2012 jeweils weitere 2.186,86 € brutto zu bezahlen und

7. der Klägerin entsprechende Lohnabrechnungen für die Monate September 2011 bis April 2012 zu erteilen.

Im Weg der Klageerweiterung wird beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5 Prozent- punkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 2.120,95 € brutto abzüglich hierauf mit Wertstellung zum 30.09.2011 gezahlter 400,-- € netto ab 11.1...

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