Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe. Versagung. Vermögen (einzusetzendes). Abfindung
Leitsatz (redaktionell)
Für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlte Abfindungen sind Vermögen i.S.v. § 115 Abs. 3 ZPO, § 11a Abs. 3 ArbGG. Vermögen ist einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. Nach § 115 Abs. 3 S. 2 ZPO i.V.m. § 90 Abs. 1 SGB XII ist Vermögen einsetzbar, wenn es verwertbar ist. Das ist bei Abfindungen regelmäßig dann der Fall, wenn sie tatsächlich gezahlt wurden.
Normenkette
ZPO § 115
Verfahrensgang
ArbG Kiel (Beschluss vom 08.10.2010; Aktenzeichen 3 Ca 1390 c/10) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Kiel vom 08.10.2010 – 3 Ca 1390 c/10 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Klägerin erhob am 29.06.2010 Kündigungsschutzklage. Gleichzeitig beantragte sie Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Rechtsanwaltsbeiordnung. In der Güteverhandlung am 30.07.2010 verständigten sich die Parteien in einem verfahrensbeendenden Vergleich auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 13.000,00 EUR brutto.
Am 10.08.2010 bewilligte das Arbeitsgericht der Klägerin ratenlose Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Rechtsanwalts. Einen Tag später zahlte die Beklagte der Klägerin eine Abfindung in Höhe von 10.336,19 EUR netto aus.
Mit Beschluss vom 08.10.2010 hat das Arbeitsgericht Kiel seinen Beschluss vom 10.08.2010 gemäß § 120 Abs. 4 ZPO mit der Maßgabe geändert, dass sich die Klägerin mit einer Sonderzahlung in Höhe von 962,68 EUR an den Kosten des Verfahrens zu beteiligen hat. Das Arbeitsgericht hat zur Begründung ausgeführt, durch die Zahlung der Abfindung in Höhe von 10.336,19 EUR hätten sich die Vermögensverhältnisse der Klägerin wesentlich geändert. In Abzug zu bringen sei der persönliche Freibetrag in Höhe von 2.600,00 EUR, ein weiterer Betrag in Höhe von 2.600,00 EUR, weil die Klägerin noch keiner neuen Tätigkeit nachgehe sowie Freibeträge in Höhe von 552,00 EUR für unterhaltsberechtigte Personen. Der verbleibende Restbetrag in Höhe von 4.584,19 EUR sei zur Deckung der Gerichts- und Rechtsanwaltskosten in Höhe von insgesamt 962,86 EUR einzusetzen.
Die Klägerin hat gegen diesen Beschluss am 26.10.2010 „Beschwerde und Erinnerung” eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, sie müsse die Abfindung für den eigenen Lebensunterhalt und ihre Unterhaltsverpflichtungen gegenüber ihren Kindern verwenden, weil sie immer noch keinen Arbeitsplatz gefunden habe.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 05.11.2010 der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein zur Entscheidung vorgelegt.
Entscheidungsgründe
II.
Soweit die Klägerin gegen den Beschluss vom 08.10.2010 „Beschwerde und Erinnerung” eingelegt hat, hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt, dass die Klägerin damit das statthafte Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde einlegen wollte. Gegen die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde bestehen keine Bedenken.
In der Sache hat die sofortige Beschwerde keinen Erfolg. Zutreffend ist das Arbeitsgericht unter Hinweis auf den Beschluss des 3. Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 24.04.2006 (3 AZB 12/05 – BAGE 118, 47) davon ausgegangen, dass für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlte Abfindungen Vermögen im Sinne des § 115 Abs. 3 ZPO, § 11 a Abs. 3 ArbGG sind. Vermögen ist einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. Nach § 115 Abs. 3 Satz 2 ZPO i. V. m. § 90 Abs. 1 SGB XII ist Vermögen einsetzbar, wenn es verwertbar ist. Das ist bei Abfindungen regelmäßig dann der Fall, wenn sie tatsächlich gezahlt wurden. Das kann zu nachträglichen Änderungen der Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen nach § 120 Abs. 4 ZPO führen. Der Umstand, dass die Abfindung im vorliegenden Fall nach einem Kündigungsschutzprozess aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs gezahlt worden ist, steht ihrem Einsatz als Vermögen grundsätzlich nicht entgegen (vgl. BAG 24.04.2006 – 3 AZB 12/05 – a. a. O.). Dabei wird nicht übersehen, dass die Abfindung die mit dem Verlust des Arbeitsplatzes verbundenen materiellen und immateriellen Nachteile des Arbeitnehmers mildern soll und der Überbrückung bis zur Erzielung anderweitiger Einkünfte dient. An ihrem Charakter als einzusetzender Vermögenswert im Sinne von § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO ändert sich dadurch nichts. Berücksichtigung finden diese Gedanken bei der Bemessung der – auch vom Arbeitsgericht anerkannten – Schonbeträge. Das Arbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Klägerin ein sogenanntes „Schonvermögen” in Höhe von 2.600,00 EUR zuzüglich eines weiteren Freibetrags für ihre unterhaltsberechtigten Kinder in Höhe von 552,00 EUR verbleiben muss. Hinzu kommt ein weiterer Freibetrag in Höhe von 2.600,00 EUR, weil die Klägerin noch keiner neuen Tätigkeit nachgeht. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass dem Arbeitnehmer durch den Verlust des Arbeitsplatzes typischerweise Kosten entstehen, etwa für Bewerbungen...