Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufung. Zulässigkeit. Verwerfung. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Sorgfaltsanforderung. verlängerte Begründungsfrist. letzter Tag. Büroumzug. Keine Wiedereinsetzung bei Verstoß gegen vorausschauende Arbeitsplanung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zu den im Rahmen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu prüfenden Sorgfaltspflichten eines Rechtsanwalts zählt neben der Überwachung sog. Notfristen vor allem die Sicherstellung der Fertigstellung fristgebundener Schriftsätze und deren fristgerechte Einreichung bei Gericht. Hierzu bedarf es einer vorausschauenden Arbeitsplanung.

2. Die Bearbeitung der Rechtssache auf den letzten Tag der Notfrist zu verschieben, obgleich an den zwei vorangehenden Tagen ein Kanzleiumzug stattfindet, ist ein fahrlässiger Verstoß gegen eine vorausschauende Arbeitsplanung. Mit umzugsbedingten Organisationsstörungen (Fehlleistungen des Personals, falscher Aktenzuordnung, Störungen in der EDV etc.), die der fristgerechten Fertigung des Schriftsatzes am ersten Arbeitstag in neuen Büroräumen entgegenstehen, muss der Rechtsanwalt rechnen.

3. Die Sorgfaltsanforderungen zur Einhaltung einer bereits nach § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG verlängerten Berufungsbegründungsfrist sind gegenüber derjenigen der eigentlichen Notfrist deutlich erhöht, da eine nochmalige Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist ausgeschlossen ist.

 

Normenkette

ArbGG § 61 Abs. 1 S. 1 Hs. 2; ZPO §§ 522, 233

 

Verfahrensgang

ArbG Neumünster (Urteil vom 03.06.2004; Aktenzeichen 4 Ca 130 c/04)

 

Tenor

1. Der Antrag des Klägers, ihm gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren, wird zurückgewiesen.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster, Az.: 4 Ca 130 c/04, wird als unzulässig verworfen.

3. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger wendet sich mit der Klage gegen eine betriebsbedingte Kündigung und hat erstinstanzlich beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 29.12.2003, zugegangen am 31.12.2003, nicht aufgelöst worden ist.

Mit Urteil vom 03.06.2004 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Gegen das ihm am 30.06.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30.07.2004 Berufung beim Landesarbeitsgericht eingelegt. Auf Antrag des Klägers ist die Berufungsbegründungsfrist antragsgemäß bis zum 27.09.2004 verlängert worden. Mit Schriftsatz vom 27.09.2004 – beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 27.09.2004 – hat der Kläger beantragt, die Frist zur Berufungsbegründung um vier weitere Wochen – bis einschließlich 25.10.2004 – zu verlängern. Mit Verfügung vom 28.09.2004 ist der Kläger darauf hingewiesen worden, dass nach § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG nur die einmalige Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist zulässig ist und beabsichtigt sei, die Berufung wegen Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist nunmehr als unzulässig zurückzuweisen.

Daraufhin hat der Kläger am 12.10.2004 die Berufung begründet und zugleich beantragt, ihm gegen die Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zur Begründung trägt er vor, dass sein sachbearbeitender Anwalt Dr. J… Ende September 2004 aus der erstinstanzlich beauftragten Kanzlei K… und Partner ausgeschieden und zur Kanzlei J… + H… gewechselt sei. Das Mandat für die vorliegende Prozessvertretung sei bei Dr. J… geblieben. Der Umzug in die neuen Kanzleiräume habe am 25. und 26.09.2004 stattgefunden. Die Handakte sei dem Prozessvertreter eine Woche vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist vorgelegt worden. Aufgrund der Umzugsvorbereitungen wollte der Prozessvertreter die Berufungsbegründung am ersten Arbeitstag in der neuen Kanzlei, d.h. am 27.09.2004, diktieren und fertigen lassen. Er habe seine seit 12 Jahren überaus zuverlässig arbeitende Sekretärin angewiesen, u. a. die Handakte sowie einen Fristenausdruck für die Woche ab dem 27.09.2004 in besondere persönliche Verwahrung zu nehmen, um einer evtl. umzugsbedingten Unauffindbarkeit vorzubeugen. Am 23.09.2004 habe er sich von der Sekretärin nochmals versichern lassen, dass die Unterlagen anweisungsgemäß in einer gesonderten Tasche verwahrt worden seien und wies sie zugleich an, die Tasche am Freitag, den 24.09.2004, mit zu sich nach Hause zu nehmen, damit sie während des Umzugs nicht verloren ginge. Am Nachmittag des 24.09.2004 sei planmäßig die Büroarbeit eingestellt und mit dem Einpacken der letzten Sachen begonnen worden. Zu dieser Zeit habe der Kläger angerufen und sich nach dem Ablauf der Berufungsfrist erkundigt. Zu diesem Zwecke habe Frau S… die Handakte nochmals aus der Tasche genommen und dem Kläger mitgeteilt, dass die Frist erst am kommenden Montag abliefe. Da sie unmittelbar nach dem Telefonat Anweisungen zur Beschriftung der Umzugskartons habe erteilen und zwei Telefonate habe führen müssen, habe sie versehentlich vergessen, die...

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