Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert. Beschlußverfahren. Zustimmungsersetzungsverfahren. Kündigung. außerordentlich. wirtschaftlich. Auswirkung. vermögensrechtlich. Streitigkeit
Leitsatz (amtlich)
Der Wert des Streitgegenstandes im Zustimmungsersetzungsverfahren des § 103 Abs. 2 BetrVG richtet sich nicht nach dem Kündigungsstreitigkeiten vorbehaltenen § 12 Abs. 7 ArbGG, sondern nach dem für die Bewertung nichtvermögensrechtlicher Gegenstände einschlägigen § 8 Abs. 2 BRAGO und ist grundsätzlich mit dem Regelwert von 8.000,– DM zu bewerten. Zweck des § 103 Abs. 2 BetrVG ist in begründeten Fällen der Abbau der Schutzbarriere des § 103 Abs. 1 BetrVG; die Kündigung kann allenfalls Folge einer Entscheidung aber nicht Gegenstand einer Entscheidung nach § 103 Abs. 2 BetrVG sein.
Normenkette
BRAGO § 8; ArbGG § 12 Abs. 7; BetrVG § 103 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Beschluss vom 29.12.1998; Aktenzeichen 4 BV 40/97) |
Tenor
wird die Beschwerde der Beteiligten zu 1. der Beschluß des Arbeitsgerichts Lübeck vom 29. Dezember 1998 – 4 BV 40/97 – zurückgewiesen.
Die Anschlußbeschwerde des beschwerdeführenden Rechtsanwalts B. wird zurückgewiesen.
Gründe
Die Beteiligten streiten über den Wert des Streitgegenstandes eines Beschlußverfahrens nach § 103 Abs. 2 BetrVG. Das Arbeitsgericht hat den Wert auf 12.000,– DM festgesetzt; die Beteiligte zu 1. strebt eine Herabsetzung des Wertes auf 8.000,– DM und der Verfahrensbevollmächtigte des Beteiligten zu 3. eine Erhöhung auf 16.161,– DM an.
Sowohl die befristete Beschwerde der Beteiligten zu 1. als auch die Anschlußbeschwerde des Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 3. ist zulässig. Beide Beschwerden sind unbegründet und daher zurückzuweisen.
Die Beschwerde gegen den Streitwertbeschluß in arbeitsrechtlichen Beschlußverfahren ist gem. § 10 Abs. 3 Satz 1 BRAGO zulässig. Die Beschwerde wurde form- und fristgerecht erhoben und der erforderliche Beschwerdewert von 100,– DM ist erreicht. Die Anschlußbeschwerde ist gem. § 577 a ZPO i. V. m. § 10 Abs. 3 Satz 4 BRAGO zulässig. Da sie ihrerseits nicht im Rahmen der Frist des § 577 Abs. 2 ZPO eingelegt wurde, ist sie als unselbständige Anschlußbeschwerde nach § 577 a Satz 3 ZPO zu behandeln.
Für die Bestimmung des Streitwertes in Verfahren gem. § 103 Abs. 2 BetrVG ist grundsätzlich vom Regelwert des § 8 II BRAGO – 8.000,– DM – auszugehen.
Bei der Ermittlung des Streitwert ist auf § 8 Abs. 2 BRAGO abzustellen und nicht auf § 12 Abs. 7 ArbGG analog.
Die Bemessung des Streitwertes richtet sich nach dem Gegenstand des Streits, das wird vom Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 3. verkannt. Dies ist im Verfahren gem. § 103 Abs. 2 BetrVG die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung eines Betriebsratsmitglieds, nachdem ersterer die Zustimmung verweigert hat.
Die Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 103 Abs. 1 BetrVG betrifft eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit, denn die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bezwecken ausschließlich die Sicherstellung der angemessenen Beteiligung des Betriebsrats als Vertreter der Belegschaft bei Entscheidungen über den Verbleib der Betriebsratsmitglieder im Betrieb (vgl. LAG Schl.-Holst, Beschl, v. 20. Mai 1997 – 4 Ta 91/97 –, v. 2. Juli 1993 – 4 Ta 48/93 –, v. 18. Oktober 1986 – 4 Ta 136/86 –, v. 7. Juli 1986 – 4 Ta 93/86 –; Beschl, d. LAG Frankfurt vom 24. Oktober 1983 – 4 Ta 249/83 –).
In diesem Verfahren geht es um die Beteiligung des Betriebsrats in betriebsverfassungsrechtlicher Hinsicht, nicht aber um deren wirtschaftliche Auswirkungen.
Auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Rechte aus § 103 BetrVG darf daher nicht abgestellt werden. Verfahrensgegenstand ist lediglich die Frage, ob die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Kündigung eines Betriebsratsmitglieds zu ersetzen ist. Ungeachtet der möglichen Präjudizialität des Verfahrens nach § 103 BetrVG für einen anschließenden Kündigungsschutzprozeß ist in diesem Verfahren nicht schon § 12 Abs. 7 ArbGG zugrundezulegen bei der Bemessung des Streitwertes. Zwar kann die Kündigung Folge der Entscheidung des Arbeitsgerichts im Beschlußverfahren sein, sie ist aber nicht primärer Gegenstand des § 103 Abs. 2 BetrVG. Primärzweck ist hier, die Schutzbarriere des § 103 Abs. 1 BetrVG zu überwinden und die Kündigungsabsicht des Arbeitgebers in Bezug auf den besonders geschützten Personenkreis dieser Vorschrift auch gegen den Betriebsrat durchzusetzen. Das Verfahren gem. § 103 Abs. 2 BetrVG kann daher als nichtvermögensrechtliche Streitigkeit nicht nach der Vorschrift des § 12 Abs. 7 ArbGG beurteilt werden, welche ausschließlich vermögensrechtliche Streitigkeiten zum Gegenstand hat (ständige Rechtsprechung des LAG Schl.-Holst., vgl. Beschl, wie oben sowie 3 Ta 54/96; 5 Ta 94/94,; 5 Ta 22/96; 6 Ta 16/94; ebenso LAG Frankfurt – 6 Ta 249/83 –). Erst wenn aufgrund der Zustimmungsersetzung gekündigt und diese Kündigung in einem anschließenden vom Verfahren nach § 103 BetrVG unabhängigen Prozeß angegriffen wird, handelt es sich um eine vermögen...