Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert. Gegenstandswert. Beschlußverfahren. Zustimmungsersetzung. Betriebsratsmitglied. Kündigung. außerordentlich
Leitsatz (amtlich)
1. Das Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG kann als nichtvermögensrechtliche Streitigkeit nicht entsprechend § 12 Abs. 7 ArbGG bewertet werden, der auf vermögensrechtlichen Streitgegenstände ausgerichtet ist. Der Streitwert richtet sich nach § 8 BRAGO und wird grundsätzlich mit dem Regelwert von 8.000,– DM zu bewerten sein.
2. Der unterliegende Beschwerdeführer trägt die Kosten des Streitwertbeschwerdeverfahrens selbst, weil von einer Kostenfreiheit des erfolglosen Beschwerdeverfahrens auch für den Fall, daß es sich im Ausgangsverfahren um ein gem. § 12 Abs. 5 ArbGG kostenfreies Beschlußverfahren handelt, nicht ausgegangen werden kann. Das Beschwerdeverfahren nach § 10 Abs. 3 BRAGO nimmt als selbständiges Verfahren an der Kostenfreiheit des § 12 Abs. 5 ArbGG nicht teil.
Normenkette
BRAGO § 8; BetrVG § 103; ArbGG § 12 Abs. 7
Verfahrensgang
ArbG Neumünster (Beschluss vom 29.04.1997; Aktenzeichen 2d BV 57/96) |
Tenor
wird die befristete Beschwerde des beschwerdeführenden Rechtsanwalts Dr. Klaus B. aus Hamburg gegen den Streitwertfestsetzungsbeschluß des Arbeitsgerichts Neumünster vom 29. April 1997 zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beschwerdeführer.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.058,– DM festgesetzt.
Gründe
Die Beteiligten streiten über den Wert des Streitgegenstandes eines Beschlußverfahrens nach § 103 Abs. 2 BetrVG.
Die befristete Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 2.) und 3.) (Betriebsrat und beteiligtes Betriebsratsmitglied) ist nach § 10 Abs. 3 Satz 1 BRAGO statthaft; insbesondere ist der erforderliche Beschwerdewert von 100,– DM erreicht. Sie ist form- und fristgerecht erhoben und damit zulässig (§ 577 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Die Beschwerde konnte aber keinen Erfolg haben.
Das Arbeitsgericht hat den Streitwert zutreffend mit 8.000,– DM festgesetzt.
Die Bemessung des Streitwertes richtet sich nach dem Streitgegenstand. Das ist im Verfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG die Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes. Die Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Kündigung betrifft keine vermögensrechtliche Meinungsverschiedenheit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, sondern eine nichtvermögensrechtliche, denn die Mitbestimmungsrechte bezwecken ausschließlich, daß der Arbeitgeber nicht mehr allein, sondern unter angemessener Beteiligung des Betriebsrates als Vertreter der Belegschaft Entscheidungen über das Verbleiben der Betriebsratsmitglieder im Betrieb trifft (vgl. LAG Schl.-Holst., Beschl. v. 7. Juli 1986 – 4 Ta 93/86 –).
Zur Bewertung des Gegenstandswertes darf nicht auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Rechte nach § 103 BetrVG abgestellt werden, denn Verfahrensgegenstand ist lediglich die Frage, ob die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung zu ersetzen ist. Die Kündigung selbst wird allenfalls vorbereitet. Die Kündigung kann Folge der beantragten Entscheidung des Arbeitsgerichts sein, sie ist aber nicht Primärzweck der gesetzlichen Ordnung. Nur auf den Primärzweck kommt es dabei an, nämlich die Schutzbarriere des § 103 Abs. 1 BetrVG aufzuheben und dadurch die Verwirklichung der Kündigungsabsicht des Arbeitgebers in Bezug auf den besonders geschützten Personenkreises des § 103 BetrVG zu ermöglichen. Es geht um die Ersetzung der verweigerten Zustimmung des Betriebsrats als betriebsverfassungsrechtliche Erfordernis und nicht um die wirtschaftlichen Auswirkungen der durch die Zustimmungsersetzung erteilten quasi betriebsverfassungsrechtlichen Kündigungserlaubnis. Das Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG kann damit als nichtvermögensrechtliche Streitigkeit nicht analog mit § 12 Abs. 7 ArbGG bewertet werden; diese Bewertungsvorschrift ist ausschließlich auf vermögensrechtliche Verfahrensgegenstände zugeschnitten (ständige Rechtsprechung der Beschwerdekammer, Beschl. v. 18. Oktober 1986 – 4 Ta 136/86 –; Beschl. v. 2. Juli 1993 – 4 Ta 48/93 –; ebenso zutreffend LAG Frankfurt, Beschl. v. 24. Oktober 1983 – 6 Ta 249/83 –; ebenso LAG Schl.-Holst., – 3 Ta 54/96 –; – 5 Ta 94/94 –; – 6 Ta 16/94 –; a. A. Hillach-Rohs in Handbuch des Streitwertes in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, 6. Aufl. 1986 auf Seite 424, der sich insbesondere auf LAG Hamm stützt, das wiederum auf Wenzel in DB 1977, 722–726 fußt). Bereits deshalb verbietet es sich, den Streitwert in Höhe des vom Beschwerdeführer geforderten dreifachen Bruttomonatseinkommen des Betriebsratsmitglieds B. von 18.630,– DM festzusetzen. Erst wenn aufgrund der Zustimmungsersetzung gekündigt und jene Kündigung mit einer Klage angegriffen wird, handelt es sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit mit der Streitwertbestimmung nach § 12 ArbGG. Das hat der Beschwerdeführer jedoch verkannt.
Der Streitwert ist aus § 8...