Entscheidungsstichwort (Thema)
Gerichtliche Einsetzung eines Wahlvorstands für eine Betriebsratswahl in einem betriebsratslosen, nicht dem vereinfachten Wahlverfahren unterliegenden Betrieb
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine ordnungsgemäße Einladung zur Betriebsversammlung zur Wahl des Wahlvorstands ist Voraussetzung für eine gerichtliche Bestellung nach dem § 17 Abs. 4 BetrVG. 2. Die Anforderungen an die Qualität der Einladung zur Betriebsversammlung für die Vorbereitung der Betriebsratswahl dürfen nicht unangemessen erschwert werden.
Normenkette
BetrVG § 17 Abs. 4; GG Art. 12
Verfahrensgang
ArbG Elmshorn (Entscheidung vom 10.01.2024; Aktenzeichen 3 BV 40 e/23) |
Tenor
I. Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 10. Januar 2024 - 3 BV 40 e/23 - wird zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die gerichtliche Einsetzung eines Wahlvorstands für eine Betriebsratswahl in einem betriebsratslosen, nicht dem vereinfachten Wahlverfahren unterliegenden Betrieb.
Die Antragsteller zu 1. bis 4. sind bei der Beteiligten zu 5. (im Folgenden: "Arbeitgeberin") beschäftigte Arbeitnehmer.
Die Arbeitgeberin unterhält in E. einen Betrieb, in dem insbesondere im Sportbereich zum Einsatz kommende Nahrungsergänzungsmittel entwickelt und auch herstellt werden. Ein Betriebsrat besteht dort nicht.
Ein Gesamt- oder Konzernbetriebsrat ist bei der Arbeitgeberin bzw. beim Unternehmensverbund, dem die Arbeitgeberin angehört, nicht gebildet.
Die Arbeitgeberin beschäftigte im Juni 2023 im E.er Betrieb insgesamt ca. 280 Mitarbeiter, darunter eine erhebliche Anzahl von Leiharbeitnehmern. Die Anzahl der Belegschaft im E.er Betrieb ist seitdem bis zum Termin über die Verhandlung der Beschwerde noch deutlich gestiegen.
Die Mitarbeiter werden von der Arbeitgeberin in zwei Schichten von 6 bis 15 Uhr sowie von 15 bis 23:45 Uhr eingesetzt. Die Leiharbeitnehmer und Mitarbeiter der Spätschicht werden mit Kleinbussen aus H. gefahren und treffen frühestens gegen 14:30 Uhr auf dem Werksgelände ein.
Von der Arbeitgeberin durch den Betriebsleiter und Prokuristen P. veranstaltete Mitarbeiterversammlungen werden regelmäßig unmittelbar ins Russische und Türkische übersetzt. Die Aushänge im Betrieb erfolgen regelmäßig in den Sprachen Deutsch, Russisch und Türkisch. Die Arbeitgeberin stellt streng kontrollierte Produkte her, die den lebensmittelrechtlichen Vorschriften entsprechen müssen. Dazu existiert umfangreiche Dokumentation in deutscher Sprache. Die Arbeitgeberin hat folgende "10 goldene Regeln" ausschließlich in deutscher Sprache verfasst und ausgehängt:
"Ich nehme mir Zeit für Sicherheit, bevor ich mit einer Tätigkeit beginne.
Ich halte meinen Arbeitsplatz sauber und aufgeräumt.
Ich melde jede unsichere Situation und Schäden sofort meinen Vorgesetzten und Kollegen.
Ich spreche Deutsch mit allen Kollegen.
Ich nehme gerne Hinweise von Kollegen an, die mich auf mein unsicheres Verhalten aufmerksam machen.
Ich spreche Kollegen, die sich aus meiner Sicht unsicher verhalten an und ermutige sie,
sicher zu arbeiten.
Ich werde ausschließlich Arbeiten annehmen, die ich kann und darf.
Wir müssen aus Fehlern lernen.
Ich handle nach dem Grundsatz: Keine Tätigkeit ist so wichtig oder so eilig, dass ich nicht Zeit hätte, diese sicher auszuführen.
Ich prüfe meine Arbeitsmittel auf sichere Funktion vor Beginn meiner Tätigkeit."
Unter dem 16. Juni 2023 teilten die Antragsteller zu 1. und 2. sowie der Arbeitnehmer U. W. der Arbeitgeberin mit, dass beabsichtigt sei, am 18. Juli 2023 eine Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstandes durchzuführen. Sie baten um Benennung eines geeigneten Raumes (Anl. ASt. 1, Bl. 4 ff. dA. erster Instanz).
Die Arbeitgeberin hat einen geeigneten Raum benannt und den Antragstellern mitgeteilt.
Mit Schreiben vom selben Tag luden die vier Antragsteller zu einer Versammlung am 18. Juli 2023 ein (Anl. ASt. 2, Bl. 7 dA. erster Instanz) und hingen es an den üblichen Stellen aus. Dieses Schreiben lautet u.a.:
"An alle im Betrieb Beschäftigten
Liebe Kolleg*innen,
in unserem Betrieb besteht bislang noch kein Betriebsrat, der die Interessen der Belegschaft vertreten könnte. Wir wollen die Wahl eines Betriebsrats ermöglichen und laden daher alle im Betrieb Beschäftigten zu einer
Versammlung
am: 18.07.2023
um: 14:00 Uhr
in: vom Arbeitgeber zu benennen ein.
(vom Arbeitgeber zu benennen)
Tagesordnung:
1. Ein/e Gewerkschaftssekretär*in wird die Bedeutung eines Betriebsrats für die Belegschaft und das Verfahren der Betriebsratswahl erläutern.
2. Es wird ein Wahlvorstand aus dem Kreise der Beschäftigten gewählt, der die Betriebsratswahl durchführt. Weiterhin wird ein/e Vorsitzende*r des Wahlvorstands von der Versammlung gewählt. Es wird der Versammlung von den Einladenden ein Vorschlag bezüglich der Zusammensetzung des Wahlvorstands und der Person des/der Vorsitzenden unterbreitet werden. Weitere Vorschläge können auf der Versammlung aus dem Kreise der Beschäftigten eingebracht werden.
[...]"
Der Au...