Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenfestsetzung. Reisekosten. Mehrkosten. Auswärtiger Rechtsanwalt. Erstattungsfähigkeit
Leitsatz (redaktionell)
Ein rechtfertigender Grund für die Erstattung von Reisekosten eines Rechtsanwalts nach § 91 Abs. 2 ZPO kann vorliegen, wenn eine Partei selbst nicht am Gerichtsort wohnt und einen an ihrem Wohnort ansässigen Rechtsanwalt beauftragt. Ohne Bedeutung ist die Frage, ob es sich um einen einfach gelagerten Rechtsstreit handelt. Die Schwierigkeiten, die bei der Führung eines Rechtsstreits auftreten werden oder können, sind für die rechtsunkundige Partei i.d.R. nicht überschaubar.
Normenkette
ZPO § 91 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Beschluss vom 09.09.2003; Aktenzeichen 3 Ca 3720/01) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 09.09.2003 – 3 Ca 3720/01 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Parteien stritten um Gehaltsansprüche des Klägers für die Zeit von Juni bis August 1999, wobei strittig war, ob der Kläger Arbeitnehmer der Beklagten gewesen war. In diesem Zusammenhang war auch die Wirksamkeit einer Kündigung zu beurteilen und die Frage der Verwirkung. Der Rechtsstreit endete durch Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 18.06.2003 – 5 Sa 8/03 – mit dem die Berufung der Beklagten gegen das – klagstattgebende – Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck zurückgewiesen worden war. Auf den Kostenfestsetzungsantrag des Klägers mit Schriftsatz vom 26.06.2003 (Bl. 290 d. A.), der der Beklagten zur Kenntnis und Stellungnahme zugeleitet worden war, hat das Arbeitsgericht die aufgrund des Urteils des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten gem. §§ 104, 91 Abs. 1 ZPO auf 1.761,81 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.07.2003 festgesetzt. Gegen diesen am 11.09.2003 zugestellten Beschluss hat die Beklagte am 17.09.2003 mit Fax und 23.09.2003 im Original sofortige Beschwerde eingelegt, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, hat jedoch nicht Erfolg. Wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, sind die entstandenen Reisekosten und das Abwesenheitsgeld notwendige Kosten gem. § 91 Abs. 1 ZPO.
Gem. § 91 Abs. 2 ZPO sind Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht bei dem Prozessgericht zugelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, nur insoweit zu erstatten, als Hinzuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Reisekosten sind jedenfalls dann erstattungsfähig, wenn ein rechtfertigender Grund vorlag, gerade diesen Rechtsanwalt zu beauftragen. Ein solcher rechtfertigender Grund kann vorliegen, wenn eine Partei selbst nicht am Gerichtsort wohnt und einen an ihrem Wohnort ansässigen Rechtsanwalt beauftragt. Dabei ist aber zu beachten, dass jede Partei die Kosten ihrer Prozessführung, die sie im Fall ihres Obsiegens vom Gegner erstattet verlangen will, so niedrig zu halten hat, wie sich dies mit der vollen Wahrung ihrer berechtigten prozessualen Belange vereinbaren lässt. Die aus Sicht einer wirtschaftlich denkenden Partei nicht als erforderlich erscheinenden Aufwendungen sind grundsätzlich nicht erstattbar (LAG Rheinland-Pfalz Beschl. v. 27.09.2002 – 2 Ta 808/02 – zitiert nach Juris). In der Regel stellt die Zuziehung eines in der Nähe des Wohn- oder Geschäftsortes ansässigen Rechtsanwaltes eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung oder -verteidigung dar (BGH Beschl. v. 16.10.2002 – VIII ZB 30/02 – zitiert nach Juris; LAG Düsseldorf Beschl. v. 08.07.2003 – 16 Ta 178/03 – zitiert nach Juris). Dabei ist entscheidend darauf abzustellen, ob die Notwendigkeit für ein persönliches Beratungsgespräch bestanden hat (BGH, a.a.O.). Ohne Bedeutung ist die Frage, ob es sich um einen einfach gelagerten Rechtsstreit handelt. Die Schwierigkeiten, die bei der Führung eines Rechtsstreits auftreten werden oder können, sind für die rechtsunkundige Partei in der Regel nicht überschaubar. Sie hängen zudem wesentlich vom Verhalten der Gegenseite während des Rechtsstreits ab (BGH, a.a.O.).
Dementsprechend kann hier nicht festgestellt werden, dass es zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung ausgereicht hätte, wenn der Kläger einen am Gerichtssitz ansässigen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung beauftragt hätte. Angesichts der Komplexität des Sachverhaltes und der Art der Streitpunkte kann ohnehin nicht von einem einfach gelagerten Fall die Rede sein. Die dem Kläger durch die Hinzuziehung eines an seinem Wohnort ansässigen Rechtsanwalt entstandenen (Mehr-)kosten, d. h. Reisekosten und Abwesenheitsgeld, sind damit erstattungsfähig gem. §§ 91 Abs. 1 S. 1, 91 Abs. 2 S. 1 ZPO.
Die Beschwerde ist daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen.
Fundstellen
Haufe-Index 1550794 |
AGS 2004, 363 |