REVISION / RECHTSBESCHWERDE / REVISIONSBESCHWERDE ZUGELASSEN NEIN
Entscheidungsstichwort (Thema)
Offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Einigungsstelle kann auch „offensichtlich unzuständig” sein (§ 98 Abs. 1 S. 2 ArbGG), wenn sie vom Verfahren her offensichtlich noch nicht zuständig ist.
2. Ein solcher Fall kann vorliegen, wenn über die Meinungsverschiedenheiten zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber zuvor überhaupt nicht verhandelt worden ist oder sich eine Seite trotz Aufforderung durch die Gegenseite weigert, in Verhandlungen einzutreten (§§ 76 Abs. 1 BetrVG, 74, Abs. 1 S. 2 BetrVG).
3. Im Verfahren zur Verhandlung über einen Nachteilsausgleich und einen Sozialplan ist eine offensichtliche Unzuständigkeit außerdem anzunehmen, wenn eine konkrete Betriebsänderung vom Arbeitgeber überhaupt noch nicht geplant ist oder der Arbeitgeber den Betriebsrat hierüber noch nicht unterrichtet hat.
Normenkette
ArbGG § 98
Verfahrensgang
ArbG Neumünster (Beschluss vom 22.08.1988; Aktenzeichen 4c BV 28/88) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners (Beteiligten zu 2.) gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Neumünster vom 22. August 1988 wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin (Beteiligte zu 1.) beabsichtigt die Verlegung ihres Betriebes von Kaltenkirchen nach Hamburg. Sie begehrt die Einsetzung einer Einigungsstelle zur Verhandlung über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan. Der Antragsgegner (Beteiligte zu 2.) hält die Einigungsstelle für zur Zeit offensichtlich unzuständig.
Die Antragstellerin hat mit Schreiben vom 20. Juni 1988 dem Antragsgegner vorgeschlagen, den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Kiel, Dr. L., als Einigungsstellenvorsitzenden zu bestellen. Der Antragsgegner hat mit Schreiben vom 28. Juni 1988 Dr. L. abgelehnt. Das Schreiben lautet u. a. wie folgt:
In Beantwortung Eures Schreibens vom 20.06.1988 teilen wir Euch mit, daß der Betriebsrat auf seiner Sitzung am 28.06.1988 beschlossen hat, Herrn Dr. L., Richter am Landesarbeitsgericht Kiel, als Einigungsstellenvorsitzenden abzulehnen.
Begründung: Der Betriebsrat bezieht sich auf einen Artikel der Zeitschrift „Arbeitsrecht im Betrieb” Heft 6/88 der da lautet: Das LAG Schleswig-Holstein – Eine Wagenburg der Arbeitgeber. Der Betriebsrat vermutet, daß eine Neutralität nicht gegeben ist.
Gleichzeitig schlägt der Betriebsrat folgende Personen für den Vorsitz des Einigungsstellenverfahrens vor: Herrn K. -J. oder Herrn Peter S. -H. Isbert A. – Herrn L. oder aber Frau P. alle Richter am Arbeitsgericht Hamburg. Des weiteren wurde beschlossen, die Anzahl der Beisitzer jeder Seite auf vier. Personen zu setzen.
Die Antragstellerin hat vorgetragen:
Interessenausgleich und Sozialplan seien seit Monaten zwischen den Parteien streitig, ohne daß eine Einigung habe herbeigeführt werden können. Sie, die Antragstellerin, habe die Verhandlung für gescheitert erklärt und dem Betriebsrat daraufhin mit Schreiben vom 28. Juni 1988 wegen des Einigungsstellenvorsitzenden angeschrieben.
Die Antragstellerin hat den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Dr. L. als Vorsitzenden der einzurichtenden Einigungsstelle vorgeschlagen, ersatzweise den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein M., ersatzweise den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Dr. O., ersatzweise die Vizepräsident in des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein S.-S. und schließlich ersatzweise den Richter am Arbeitsgericht Kiel G..
Die Antragstellerin hat beantragt,
den Einigungsstellenvorsitzenden für die Einigungsstelle betreffend Verhandlung und Abschluß eines Interessenausgleichs und Sozialplans zu bestellen und die Zahl der Beisitzer auf je zwei festzusetzen.
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen,
hilfsweise,
- 1. zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle betreffend Verhandlung und Abschluß eines Interessenausgleichs und Sozialplans Hamburg den Richter am Arbeitsgericht Hamburg Herrn K. -J. oder die Richter am Arbeitsgericht Hamburg Peter S., Isbert A., Herrn L. oder aber Frau P. zu bestellen,
- 2. die Anzahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer auf jeweils vier festzusetzen.
Der Antragsgegner hat auf den Antrag entgegnet:
Die Einigungsstelle sei noch nicht zuständig und damit offensichtlich unzuständig. Es sei zwar zur Erörterung über den Abschluß eines Sozialplans gekommen, über den Abschluß eines Interessenausgleichs sei bislang zwischen den Beteiligten jedoch überhaupt nicht verhandelt worden. Verhandlungen mit dem ernsthaften Willen zur Einigung seien von der Antragstellerin nicht durch geführt worden.
Durch den Artikel in der Zeitschrift „Arbeitsrecht im Betrieb” seien bei ihm subjektiv Zweifel an der Unparteilichkeit des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein begründet worden. Aus diesem Grunde sei eine Bestellung eines Vorsitzenden Richters des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein als Einigungsstellenvorsitzender abzulehnen. Es sei sinnvoll, einen Einigungsstelle...