Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstellung als personelle Einzelmaßnahme i.S.d. § 99 BetrVG. Keine Einstellung bei Drittpersonaleinsatz
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine nach § 99 BetrVG mitbestimmungspflichtige Einstellung liegt dann vor, wenn Personen in den Betrieb eingegliedert werden, um den arbeitstechnischen Zweck des Betriebs durch weisungsgebundene Tätigkeit zu verwirklichen. Im Normalfall folgt dies auch aus der "Zwei-Komponenten-Lehre" des Bundesarbeitsgerichts. Danach ist neben dem Bestehen des Arbeitsvertrags mit dem Betriebsinhaber eine tatsächliche Eingliederung des Arbeitnehmers in die betriebliche Organisation erforderlich.
2. An einer Eingliederung in den Betrieb fehlt es, wenn im Ausland befindliche Personen wie z.B. Informatiker oder Projektingenieure in Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmern eines im Inland liegenden Betriebs tätig werden. Sie erhalten keine Weisungen "wie Arbeitnehmer" über Zeit und Ort der Arbeitsleistung und unterliegen auch nicht der Personalhoheit des Betriebsinhabers. Auch hat ihre Tätigkeit auf die Arbeitsplätze und die Arbeitsverhältnisse der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer keine Auswirkungen.
Normenkette
BetrVG § 99 Abs. 1-2, § 101 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Entscheidung vom 02.06.2021; Aktenzeichen 4 BV 46/20) |
Tenor
Die Beschwerde des Beteiligten zu Ziff. 1 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 02.06.2021 - 4 BV 46/20 - wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Aufhebung von zwei personellen Einzelmaßnahmen nach § 99 Abs. 1 BetrVG im Wege der Einstellung sowie um Zwangsgeldandrohung/Festsetzung.
Der Antragsteller ist der bei der Antragsgegnerin gebildete Betriebsrat. Er hat 7 Köpfe. Die Antragsgegnerin ist Teil des weltweit agierenden B. H. Konzerns und beschäftigt im Geschäftsbereich Digital Solutions die zerstörungsfreie Werkstoffprüfung mittels Röntgentechnik am Standort A. insgesamt 165 Vollzeitarbeitskräfte. Der Standort A. ist ein Produktionsstandort der IXS-Einheit. Es existiert keine einheitliche Betriebsleitung in disziplinarischer und/oder fachlicher Hinsicht, vielmehr werden die einzelnen Betriebsteile in Matrixstrukturen durch global agierende Manager geführt. Im Bereich Digital Imaging (Entwicklungsabteilung) ist die Produktentwicklung zu 80% in B. (I.) angesiedelt. Im Übrigen ist für W., B., in B. und P. (...) O. B. globaler Leiter für die Produktentwicklung der IXS-Einheit. Er ist bei der Beteiligten zu 2. angestellt, hat seinen Dienst- und Beschäftigungssitz in W. und führt Mitarbeiter in W., S. (C.), B. (I.) und P. (...) fachlich und disziplinarisch.
Frau S., die für das Unternehmen G. O. & G. I. P. L. in B., I., arbeitet, hat keinen Arbeitsvertrag mit der Antragsgegnerin geschlossen. Ein in I., B., sitzendes Team entwickelt Bildbearbeitungssoftware für Röntgenbilder. Die operative Verbindung zwischen der Antragsgegnerin und Frau S. besteht im Wesentlichen darin, dass durch die Firma G. O. & G. I. P. L. in I. vom Team der Frau S. entwickelte Software in A. getestet wird und bei bestehenden Verbesserungsvorschlägen von dem Softwareentwicklungsteam in I. weiterbearbeitet wird. Frau S. ist nach dem Organigramm der Antragsgegnerin verantwortlich für die Produktpflege der gesamten Fieldradiographie Produktpalette, die am Standort A. beheimatet ist. Ferner hat die Antragsgegnerin mit E-Mail vom 06.11.2020 mitgeteilt, dass Frau S. ab 11/2020 für die NPls (Einführung neuer Produkte) und die Produktpflege im Bereich Insight RT Software zuständig sein soll.
Herr A., der ebenfalls keinen Arbeitsvertrag mit der Antragsgegnerin geschlossen hat, ist bei der Firma W. Technologies .., L., in den ... als Physiker beschäftigt. Er entwickelt für Fremdfirmen Bildempfänger (Detektoren) für Röntgenbilder. Vor der Produkteinführung werden die Bildempfänger als Muster an den Standort A. der Antragsgegnerin geschickt und werden vor Ort in A. gemäß der mit den Herstellern durch Herrn A. festgelegten Prüfprozedur in der Produktion abgenommen. Herr A. berichtet an Herrn S., der seinen Dienstsitz ebenfalls in W. hat. Herr S. berichtet an Herrn B..
Ob und inwieweit Frau S. und Herr A. gegenüber den am Standort A. beschäftigten Arbeitnehmern der Antragsgegnerin weisungsgebunden sind, ist zwischen den Beteiligten streitig. Ebenso ist im Einzelnen zwischen den Beteiligten streitig, inwieweit eine Eingliederung der vorgenannten Personen in den Betrieb der Antragsgegnerin vorliegen soll.
Der Kontakt der beiden Personen zu Mitarbeitern der Beteiligten zu 2. findet nur über E-Mail-Verkehr und Microsoft-Teams statt.
Eine Einstellungsmitbestimmung nach § 99 Abs. 1 BetrVG ist durch die Antragsgegnerin nicht vorgenommen worden.
Der Antragsteller hat die Auffassung vertreten, es handele sich bei Frau S. und Herrn A. aufgrund der Einbindung in die betrieblichen Abläufe bei der Antragsgegnerin um betriebsverfassungsrechtlich zu berücksichtigende und der Mitbestimmung des Antragstellers am Standort A. unterfallend...