Entscheidungsstichwort (Thema)
Einigungsgebühr. Prozesskostenhilfe. Mehrwert des Vergleichs
Leitsatz (amtlich)
Beantragt eine Partei Prozesskostenhilfe für den Mehrwert eines Vergleichs, so führt dies nach Nr. 1003 VV RVG jedenfalls dann zu einer Reduzierung der Einigungsgebühr auf 1,0, wenn der Gegenstand, über den der Mehrvergleich geschlossen wurde, in der Verhandlung erörtert worden ist.
Normenkette
VV RVG Nrn. 1000, 1003; RVG § 56 Abs. 2, § 33
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Entscheidung vom 27.10.2011; Aktenzeichen 6 Ca 212/11) |
Tenor
Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 02.11.2011 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 27.10.2011 – 6 Ca 212/11 – wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Der Beschwerdeführer begehrt im Rahmen der Abrechnung seiner Prozesskostenhilfegebühren die Festsetzung einer Einigungsgebühr für den Mehrwert eines Vergleichs in Höhe von 1,5.
Mit seiner Klage verlangte der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung verschiedener Beträge sowie die Feststellung des Fortbestands seines Arbeitsverhältnisses. Im Termin am 10.02.2011 verglichen sich die Parteien. Neben den anhängigen Ansprüchen wurde auch über die nicht anhängige Januarvergütung der Vergleich geschlossen. Das Arbeitsgericht setzte hierfür einen Mehrwert des Vergleichs in Höhe von EUR 400,00 fest. Der Vergleich kam zustande, nachdem der Beschwerdeführer auch für den Vergleich Prozesskostenhilfe beantragt hatte.
Für diesen Mehrwert beantragte der Beschwerdeführer die Festsetzung einer Gebühr mit dem Faktor 1,5. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat den Faktor 1,0 für den Mehrwert festgesetzt. Der Erinnerung gegen diesen Beschluss halfen Rechtspflegerin und Richter beim Arbeitsgericht nicht ab. Zur Begründung seiner Entscheidung hat der Richter am Arbeitsgericht ausgeführt, nach Nr. 1003 VV RVG reduziere sich die Einigungsgebühr auf 1,0. Eine der Rückausnahmen der Nr. 1003 VV RVG läge nicht vor. Im Termin sei ausdrücklich über die Januarvergütung, die nicht Gegenstand der Klageanträge gewesen sei, gesprochen worden. Zwar führe entgegen der Ansicht verschiedener Landesarbeitsgerichte nicht der bloße Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für den Mehrwert des Vergleichs bereits zu einer Reduzierung der 1,5 Gebühr auf 1,0. Anders sei es jedoch, wenn wie im vorliegenden Fall über die bloße Prüfung der Erfolgsaussichten des Begehrens hinaus ausdrücklich über den Gegenstand gesprochen worden sei, der im Vergleich zusätzlich geregelt worden sei. Das Arbeitsgericht hat die Beschwerde gegen seinen Beschluss ausdrücklich zugelassen.
Gegen diesen ihm am 01.11.2011 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 02.11.2011 per Telefax eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt, der das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 03.11.2011 nicht abgeholfen hat.
Der Beschwerdeführer meint, ihm stehe eine 1,5 Einigungsgebühr zu, da die Einigung auch nicht rechtshängige Ansprüche umfasse. Es komme nicht darauf an, dass für den Mehrvergleich Prozesskostenhilfe beantragt werden müsse, damit eine Erstattung aus der Staatskasse erfolgen könne. Der Gegenstand des Mehrvergleichs sei weder rechtshängig noch anhängig gewesen. Ein Antrag werde erst anhängig, wenn er bei Gericht eingereicht werde. Durch die Einreichung eines Prozesskostenhilfeantrags werde nur der PKH-Antrag anhängig, der Hauptantrag aus dem beigefügten Klageentwurf hingegen nicht.
Der Beschwerdeführer hat angeregt, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
Entscheidungsgründe
II.
Die aufgrund der Zulassung durch das Arbeitsgericht nach den §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 2 RVG statthafte, fristgemäß eingelegte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Einigungsgebühr für den Mehrwert des Vergleichs mit 1,0 angesetzt.
Nach Nr. 1000 der Anlage 1 zum RVG beträgt die Einigungsgebühr grundsätzlich 1,5. Nach Nr. 1003 beträgt die Gebühr Nr. 1000 nur 1,0, wenn über den Gegenstand ein anderes gerichtliches Verfahren als ein selbständiges Beweisverfahren anhängig ist. Dies gilt nach Abs. 1 zu Nr. 1003 – neben hier nicht interessierenden Fällen – auch, also Reduzierung auf 1,0, wenn ein Verfahren über die Prozesskostenhilfe anhängig ist, soweit nicht lediglich Prozesskostenhilfe für die gerichtliche Protokollierung eines Vergleichs beantragt wird.
Damit steht zunächst einmal nach der Systematik des Gesetzes fest, dass ein Prozesskostenhilfeverfahren ein anderes gerichtliches Verfahren im Sinne der Nr. 1003 der Anlage 1 RVG ist. Zielrichtung der Nr. 1003 zu Anlage 1 RVG ist, die streitvermeidende oder -beendende Tätigkeit des Rechtsanwalts weiter zu fördern und damit gerichtsentlastend zu wirken. Der Rechtsanwalt soll die Gebühr nur dann unvermindert erhalten, wenn die Prozesskostenhilfe nur zur Protokollierung der Einigung beantragt und das Gericht ausschließlich als „Beurkundungsorgan” in Anspruch genommen wird (allgemeine Auffassung, vgl. LAG...