Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwertfestsetzung. Fehlen der Begründung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Streitwertfestsetzung – für ein arbeitsrechtliches Beschlußverfahren – zum Zwecke der anwaltlichen Gebührenberechnung ist vom Arbeitsgericht zu begründen. Fehlt eine Begründung, ist die Entscheidung des Arbeitsgerichts aufzuheben und das Arbeitsgericht anzuweisen, erneut unter Begründung seiner Entscheidung über den Wertfestsetzungsantrag zu entscheiden.

 

Normenkette

BRAGO §§ 9-10; ArbGG § 78; ZPO § 575; BetrVG § 99; ZPO § 100

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Beschluss vom 19.11.1997; Aktenzeichen 3 BV 47/97)

 

Tenor

wird auf die befristete Beschwerde der Arbeitgeberin und auf die unselbständige Anschlußbeschwerde des Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats der Streitwertfestsetzungsbeschluß des Arbeitsgerichts Lübeck vom 19. November 1997 – 3 BV 47/97 – aufgehoben.

Dem Arbeitsgericht Lübeck wird aufgegeben, den Streitwert erneut festzusetzen und die Entscheidung zu begründen.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei.

 

Tatbestand

I.

Die antragstellende Arbeitgeberin beabsichtigte gemäß innerbetrieblicher Stellenausschreibung vom 02.06.1997, befristet 109 Mitarbeiter vorübergehend bis zum 31.08.1997 einzustellen. Die Interessenten sollten sich bis zum 16. Juni 1997 bei der Personalabteilung der Arbeitgeberin melden. Die Arbeitnehmer sollten vom 16.06.1997 bis zum 31.08.1997 bei der Beteiligten zu 1. beschäftigt werden. Die Arbeitgeberin hielt es aufgrund der Tatsache, daß sich lediglich 6 Mitarbeiter daraufhin beworben hatten, für erforderlich, den zusätzlichen und vorübergehenden Arbeitskräftebedarf mittels Leiharbeitnehmern abzudecken. Weil hierzu der Betriebsrat seine Zustimmung verweigerte, hat die Arbeitgeberin beantragt, für 38 namentlich aufgeführte Leiharbeiter und Arbeitnehmer die verweigerte Zustimmung zur Einstellung zu ersetzen und festzustellen, daß die am 16.06.1997 vorgenommene vorläufige Einstellung der vorgenannten Leiharbeitnehmer und Arbeitnehmer aus sachlichen Gründen dringend erforderlich gewesen sei. Über den am 19. Juni 1997 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Antrag ist nicht entschieden worden, denn vor Terminsanberaumung teilten die Beteiligtenvertreter wegen Zeitablaufs mit Schriftsatz vom 16.10.1997 und 23.10.1997 die Erledigung des Beschlußverfahrens mit. Das Gericht hat das Verfahren durch Beschluß vom 28. Oktober 1997 eingestellt.

Der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats hat mit Schriftsatz vom 23.10.1997 unter Rechtsausführungen beantragt,

den Gegenstandswert auf 97.500,– DM festzusetzen.

Die beteiligte Arbeitgeberin hat angeregt,

den Gegenstandswert auf 7.000,– DM festzusetzen.

Die beteiligte Arbeitgeberin hat für ihre Auffassung Tatsachen und Rechtsausführungen vorgetragen.

Das Arbeitsgericht hat am 19. November 1997 folgenden Beschluß gefaßt:

… wird der Gegenstandswert gemäß § 10 BRAGO auf 45.625,– DM festgesetzt (58 Arbeitnehmer = 1 × 8.000,– DM, 57 × 500,– DM, 25 % für den Antrag zu 2.).

Gegen den der Arbeitgeberin am 21. November 1997 zugestellten Beschluß richtet sich ihre am 4. Dezember 1997 bei dem Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein eingegangene und zugleich begründete Beschwerde, mit der sie beantragt,

den Gegenstandswert auf 7.000,– DM festzusetzen.

Der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats beantragt,

den Gegenstandswert auf 97.500,– DM festzusetzen.

Wegen der Begründung der Beschwerden wird auf die Schriftsätze der Arbeitgeberin vom 03.12.1997 und den Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats vom 09.01.1998 verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die befristete Beschwerde der Arbeitgeberin ist nach § 10 Abs. 3 S. 1 BRAGO statthaft; insbesondere ist der erforderliche Beschwerdewert von 100,– DM erreicht. Die Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt und rechtzeitig begründet worden.

2. Die Beschwerde mußte zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückweisung an das Arbeitsgericht führen.

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts war aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Arbeitsgericht zurückzuverweisen, weil der Streitwertfestsetzung nicht entnommen werden kann, welche Tatsachen und rechtlichen Überlegungen zu der Wertfestsetzung geführt haben. Derartige Mängel sind von Amts wegen zu beachten, denn die Streitwertfestsetzung bestimmt sich nach öffentlich-rechtlichen Regeln. Es bedeutet einen wesentlichen Verfahrensmangel, der regelmäßig zur Zurückverweisung führt, wenn eine Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist. Es entspricht nicht dem Sinn und Zweck einer Streitwertfestsetzungsentscheidung, wenn erstmals das Beschwerdegericht eine schriftliche Begründung für die Entscheidung abfaßt (vgl. LAG Berlin, Beschl. v. 22.11.1977 in Der deutsche Rechtspfleger 1978, S. 55 Nr. 53; LAG Niedersachsen, Beschl. v. 18.10.1978 – 11 Ta 24/78 –; LAG Schl.-Holst., Beschl. v. 09.08.1989 – 4 Ta 130/89 –; LAG Schl.-Holst., Beschl. v. 28.11.1985 – 5 Ta 221/85; LAG Schl.-Holst., Beschl. v. 21.03.1997 – 3 Ta 4/97 –). Die Verfahrensweise de...

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