Entscheidungsstichwort (Thema)

Freistellung. Streitwert

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Vereinbarung der unwiderruflichen Freistellung des Arbeitnehmers unter Fortzahlung der Vergütung im Rahmen eines Vergleichs ist streitwerterhöhend zu berücksichtigen (entgegen LAG Schl.-Holst., Beschl. v. 6. März 1997 – 4 Ta 110/96).

2. Der Streitwert hierfür ist grundsätzlich mit 25% der auf den Freistellungszeitraum entfallenden Vergütung zu bemessen,

3. Verzichtet der Arbeitgeber zugleich auf die Anrechnung anderweitigen Erwerbs ist der Streitwert nochmals um 5% zu erhöhen.

 

Normenkette

ArbGG § 61 Abs. 1; ZPO § 3

 

Verfahrensgang

ArbG Kiel (Beschluss vom 28.01.1998; Aktenzeichen 4 Ca 3172 a/97)

 

Tenor

wird auf die Beschwerde der Prozeßbevollmächtigten der Klägerin der den Wert des Streitgegenstandes festsetzende Beschluß des Arbeitsgerichts Kiel vom 28. Januar 1998 abgeändert.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8.516,– DM festgesetzt; der Wert des Vergleiches übersteigt diesen um 41.728,40

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin hat am 21. November 1997 Klage gegen den Beklagten mit folgendem Antrag erhoben:

1. den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin als Chefin vom Dienst (Redaktionsleiterin) in der Hamburger Redaktion des Evangelischen Rundfunktdienstes (ERN) des Beklagten zu beschäftigen.

Im Gütertermin am 23. Dezember 1997 haben die Parteien einen gerichtlichen Vergleich abgeschlossen, in dem es u. a. heißt:

  1. Die Parteien sind sich darüber einig, daß ihr Arbeitsverhältnis aus betrieblichen Gründen wegen Einstellung des Hamburger Audiodienstes auf Veranlassung des Arbeitgebers zum 31. März 1998 sein Ende finden wird.
  2. Das Arbeitsverhältnis wird bis zu diesem Zeitpunkt ordnungsgemäß abgerechnet. Etwaiger Zwischenverdienst gem. § 615 BGB wird nicht in Anrechnung gebracht.
  3. Die Klägerin wird von dem Beklagten bis zu diesem Zeitpunkt unwiderruflich freigestellt unter Anrechnung von Resturlaub und den in 1998 anfallenden Urlaub.
  4. Der Beklagte zahlt an die Klägerin für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung gem. §§ 9, 10 KSchG i. V. m. § 3 Ziff. 9, 24, 34 EStG in Höhe von 55.000,– DM. Eventuell anfallende Steuern aus dieser Abfindungszahlung trägt die Klägerin.
  5. Der beklagte Verein erteilt der Klägerin ein wohlwollendes qualifiziertes Zwischenzeugnis mit der Leistungsbeurteilung „jederzeit zu unserer vollen Zufriedenheit”. Auf Basis dieses Zwischenzeugnisses erteilt der Beklagte der Klägerin ein Zeugnis bei Ausscheiden.
  6. Mit Ausnahme der in diesem Vergleich nummierten Ansprüche sind alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung zwischen den Parteien erledigt.

Die Rechtsanwälte Pe., Be. und Zi. haben als Prozeßbevollmächtigte der Klägerin durch Schriftsatz vom 29. Dezember 1997 beantragt, den Streitwert wie folgt festzusetzen:

1.

Wert des Streitgegenstandes – Umsetzung

(1 Bruttomonatsgehalt)

8.516,– DM

2.

Übersteigender Vergleichswert

a)

für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses

(3 Bruttomonatsgehälter, § 12 Abs. 7 ArbGG)

25.548,– DM

b)

Zeugnisregelung

(1 Bruttomonatsgehalt)

8.516,– DM

c)

Freistellung für drei Monate und Verzicht auf Anrechnung des Zwischenverdienstes

(1 Bruttomonatsgehalt)

8.516,– DM

gesamt

42.580,– DM.

Das Arbeitsgericht hat durch Beschluß vom 28. Januar 1998 dem Antrag hinsichtlich des Wertes des Vergleiches lediglich in Höhe von 34.064,– DM entsprochen. Es hat dabei den Gegenstandswert des Vergleiches mit vier Bruttomonatsgehältern angesetzt (für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses 3 Bruttomonatsgehälter, § 12 Abs. 7 ArbGG und für den Zeugnisanspruch 1 Bruttomonatsgehalt). Dagegen hat das Arbeitsgericht die Freistellung der Klägerin seitens des Beklagten nicht eigens berücksichtigt und dies wie folgt begründet: Die Freistellung sei lediglich ein Element in der Einigung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Hier sei der Schutzcharakter von § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG maßgeblich. Die Freistellung unter Fortzahlung der Bezüge sei letztlich wie eine Abfindung ein geldwerter Vorteil für den Arbeitnehmer, den dieser für den Verlust des Arbeitsplatzes bzw. im Zusammenhang mit der arbeitnehmerseitigen Akzeptanz der Kündigung erhalte. Hintergrund der Freistellung sei: Der Arbeitgeber wolle den Arbeitnehmer nicht mehr beschäftigen, der Arbeitnehmer hingegen wolle Entgelt ohne Beschäftigung. Das sei genau die Interessenlage bei einem Abfindungsvergleich hinsichtlich einer Arbeitgeberkündigung.

Gegen diesen ihnen am 10. Februar 1998 zugestellten Beschluß haben die Rechtsanwälte Pe., Be. und Zi. am 12. Februar 1998 Beschwerde eingelegt.

Sie vertreten die Auffassung, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht die Vereinbarte Freistellung der Klägerin nicht streitwerterhöhend berücksichtigt. § 12 Abs. 7 ArbGG sei weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden. Raum für eine Analogie bestehe wegen des Ausnahmecharakters der Regelung nicht. Außerdem fehle es als Voraussetzung an einer planwidrigen Gesetzeslücke. Das Arbeitsgericht überschreite damit die Grenzen zulässiger Auslegu...

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