Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe, Aufhebung der Bewilligung, Rechtsmittel, Eingang von Unterlagen, Auslegung, Prozesshandlung, sofortige Beschwerde, Begründung, Beschwerdefrist, Erlass der Entscheidung, Zustellung, Abhilfeverfahren. Auslegung einer Parteihandlung als sofortige Beschwerde – Aufhebungsbeschluss der PKH-Bewilligung
Leitsatz (amtlich)
1. Im Falle noch laufender Beschwerdefrist sind Eingaben, die Übermittlung von Unterlagen und/ oder Anträge einer Partei, die eine gerichtliche Entscheidung abwehren sollen, als sofortige Beschwerde einzuordnen, wenn ihnen auch nur ansatzweise inhaltliches tatsächliches oder rechtlich relevantes Vorbringen entnommen werden kann.
2. Im Rahmen sachdienlicher Auslegung ist der Einreichung einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse regelmäßig der erkennbare Wille zu entnehmen, dass z.B. eine Aufhebungsentscheidung nach § 120 Abs. 4 ZPO durch die Darlegung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse verhindert oder aus der Welt geschaffen werden soll.
3. Gehen Eingaben, Unterlagen oder sonstige Erklärungen einer Partei zwischen Erlass und Zustellung einer gerichtlichen Entscheidung ein, ist mit ihrem Eingang bei Gericht das Rechtsmittel – hier der sofortigen Beschwerde gem. §§ 127 Abs. 2, 567 ZPO – als fristwahrend eingelegt zu betrachten. Das hat zur Folge, dass dieses Rechtsmittel gem. § 572 ZPO zu bescheiden ist, ohne dass die Partei dieses nochmals ausdrücklich verlangen muss.
Normenkette
ZPO § 127 Abs. 2, §§ 567, 569, 329, 572; BGB § 140; ZPO § 120 Abs. 4, § 124 Ziff. 2
Verfahrensgang
ArbG Elmshorn (Beschluss vom 17.06.2011; Aktenzeichen 52 Ca 801 d/08) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 17.06.2011, in Gestalt des Beschlusses vom 04.08.2009, Az. 52 Ca 801 d/08, aufgehoben und die Beschwerden mit Datum vom 04.08.2009 und vom 25.05.2011 zur erneuten Nichtabhilfeprüfung an das Arbeitsgericht zurückgegeben.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Mit seinen Beschwerden wendet sich der Kläger gegen die Aufhebung der ihm gewährten Prozesskostenhilfe, die bereits mit Beschluss vom 04.08.2009 erfolgte.
Dem aus P. stammenden Kläger war im Rahmen einer Kündigungsschutzklage mit Beschluss vom 09.10.2008 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung bewilligt worden. Mit Verfügung vom 06.05.2009 war er vom Arbeitsgericht aufgefordert worden, innerhalb einer Frist von 4 Wochen mitzuteilen, ob und ggf. wie sich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse seither geändert haben. Nachdem eine Erinnerung vom 23.06.2009 erfolglos war, hat die Rechtspflegerin mit Beschluss vom 04.08.2009 die Prozesskostenhilfe wegen fehlender Mitwirkung aufgehoben.
Dieser Beschluss ist zur Post gegeben worden am 05.08.2009 (Bl. 49 d. PKH-Akte). Am gleichen Tag – 05.08.2009 – ging bei dem Arbeitsgericht ein auf den 04.08.2009 datiertes Anschreiben des Klägers und ein ausgefüllter Vordruck über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst einer Vielzahl von Belegen ein. Der Aufhebungsbeschluss wurde dem Klägervertreter am 06.08.2009 zugestellt. Mit gerichtlicher Verfügung vom 25.09.2009 wurde beim Kläger unter nicht näher spezifiziertem Hinweis, der Vordruck sei unvollständig ausgefüllt, angefragt, ob dieses Schreiben als eine Beschwerde gelten solle. In dem Fall sei es notwendig, die Beschwerde binnen zwei Wochen ausreichend zu begründen und die Erklärung zu vervollständigen. Nach fruchtlosem Fristablauf werde die Sache als erledigt angesehen und die Kosten zum Soll gestellt. Der Kläger reagierte hierauf nicht. Das Arbeitsgericht stellte die Kosten zum Soll.
Am 25. Mai 2011 übermittelte der Kläger unaufgefordert erneut eine neue Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen. Er wurde mit Verfügung vom 03.06.2011 darauf hingewiesen, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe bereits mit Beschluss vom 04.08.2009 aufgehoben wurde und dieser Beschluss rechtskräftig geworden sei. Der Kläger wies darauf hin, er sei nach wie vor nicht zahlungsfähig. Daraufhin wertete das Arbeitsgericht seine Schreiben als Beschwerde und half ihr unter Hinweis auf die Rechtskraft des Beschlusses vom 04.08.2009 nicht ab. Sodann legte das Arbeitsgericht unter Bezugnahme auf seinen Nichtabhilfebeschluss vom 17.06.2011 die Akte dem Landesarbeitsgericht am 21.06.2011 zur Entscheidung vor.
Entscheidungsgründe
II.
Die einheitlich als Beschwerden gegen den Prozesskostenhilfe aufhebenden Bescheid des Arbeitsgerichts vom 04.08.2009 auszulegenden Schreiben des Klägers vom 04.08.2009 und vom 25.05.2011 haben teilweise Erfolg. Über die Beschwerde des Klägers vom 04.08.2009 ist seitens des Arbeitsgerichts rechtsfehlerhaft bis heute nicht entschieden worden. Damit ist der Bescheid des Arbeitsgerichts vom 04.08.2009 nicht rechtskräftig. Das ist in der durch das erneute Schreiben des Klägers vom 25.05.2011 ausgelösten Nichtabhilfeprüfung vom 03.06.2011 nicht hinreichend berücksichtigt ...