Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe. Versagung. Zeugnis (Erteilung). Klageerhebung. Mutwilligkeit. Mutwilliger Klageantrag auf Zeugniserteilung im Kündigungsschutzverfahren bei fehlender außergerichtlicher Geltendmachung
Leitsatz (redaktionell)
1. Mutwilligkeit im Sinne des § 114 Satz 1 ZPO liegt vor, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihr Recht nicht in gleicher Weise verfolgt hätte.
2. Die Erhebung einer Klage auf Zeugniserteilung ist als offensichtlich mutwillig im Sinne des § 11 a Abs. 2 ArbGG anzusehen, wenn eine verständige Partei (zumal wenn sie anwaltlich vertreten ist) ohne weiteres hätte erkennen können, dass die Kündigungsschutzklage ohne eine vorgerichtliche, erfolglose Geltendmachung des Zeugnisanspruchs nicht zugleich mit einer Klage auf Zeugniserteilung hätte verbunden werden müssen; das gilt jedenfalls dann, wenn keine Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass die Arbeitgeberin nach Ausspruch der Kündigung nicht dazu bereit ist, der Arbeitnehmerin ein Zeugnis zu erteilen.
Normenkette
ZPO § 114 S. 1; ArbGG § 11 a Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Neumünster (Entscheidung vom 16.08.2011; Aktenzeichen 2 Ca 644 c/11) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Neumünster vom 16.08.2011 - Az. 2 Ca 644 c/11 - in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 08.09.2011 wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe unter Rechtsanwaltsbeiordnung für ihre auf Zeugniserteilung gerichteten Klageanträge.
Die Klägerin hat am 27.05.2011 Klage mit folgenden Anträgen erhoben:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 23.05.2011 nicht aufgelöst worden ist.
2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 23.05.2011 hinaus fortbesteht.
3. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Verhalten und Leistung erstreckt.
Hilfsweise wird für den Fall, dass der Feststellungsantrag zu Ziffer 1. abgewiesen wird, folgender Antrag gestellt:
4. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ein endgültiges Zeugnis zu erteilen, das sich auf Verhalten und Leistung erstreckt.
Gleichzeitig hat sie beantragt, ihr für diese Klage Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Rechtsanwälte H. zu bewilligen.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 07.06.2011 auf die Klage erwidert.
Die Erklärung der Klägerin über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen ging am 14.06.2011 beim Arbeitsgericht ein.
Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 16.08.2011 der Klägerin mit Wirkung ab dem 14.06.2011 für das Verfahren erster Instanz hinsichtlich der Anträge zu 1) und 2) aus der Klagschrift sowie zweier im Wege der Klageerweiterung erhobener Anträge Prozesskostenhilfe bewilligt und die Klägerin verpflichtet, sich an den Kosten der Prozessführung mit monatlichen Raten zu beteiligen. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe die Beklagte nicht außergerichtlich aufgefordert, ein Zwischen- oder Endzeugnis zu erteilen.
Gegen diesen, ihren Verfahrensbevollmächtigten am 24.08.2011 zugestellten Beschluss, richtet sich die am 16.08.2011 beim Arbeitsgericht eingegangene sofortige Beschwerde. Die Klägerin meint, für ihre auf Zeugniserteilung gerichteten Anträge sei zumindest ab dem Scheitern der Güteverhandlung (am 16.08.2011) Prozesskostenhilfe zu gewähren.
Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde durch Beschluss vom 08.09.2011 nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II. 1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Neumünster vom 16.08.2011 ist gemäß § 11 a Abs. 3 ArbGG i. V. m. §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 567 Abs. 1 Ziffer 1 ZPO, § 78 Satz 1 ArbGG statthaft. Das Rechtsmittel ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden, §§ 11 a Abs. 3, 78 Satz 1 ArbGG, §§ 127 Abs. 2, 569 ZPO.
2. Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.
a) Für die Klage auf Erteilung eines Zwischen- bzw. Endzeugnisses haben die Voraussetzungen des § 11 a Abs. 3 ArbGG i. V. m. § 114 ZPO nicht vorgelegen.
Für die Frage der Prozesskostenhilfebewilligung ist der Zeitpunkt der Entscheidungsreife maßgeblich. Im vorliegenden Fall war die Entscheidungsreife am 14.06.2011 gegeben. Zu diesem Zeitpunkt lagen die Voraussetzungen der Prozesskostenhilfebewilligung vor. Die Klägerin hatte einen vollständigen Antrag gestellt und die Klageeinlassung der Beklagten lag vor.
Der Klägerin ist zuzugeben, dass sowohl bei Klageerhebung als auch zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife ein Anspruch auf Zeugniserteilung bestand, die hinreichende Erfolgsaussicht nach § 114 ZPO also vorlag.
Die Klägerin hat ihre Klage aber mutwillig erhoben...