Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag, Bestimmtheit, Unterlassung, Beschlussverfahren, Mehrarbeiter, Erkenntnisverfahren, Vollstreckungsverfahren, Ordnungsgeld
Leitsatz (amtlich)
1. Der auf Unterlassung der Anordnung von Überstunden bzw. Mehrarbeit zielende Antrag des Betriebsrats gem. § 23 Abs. 3 BetrVG ist nur zulässig, wenn er einen konkreten betrieblichen Sachverhalt regeln will. Denn der Antrag ist auch darauf gerichtet, zu bestimmen, welchen staatlichen Zwang oder welche Sanktion der Antragsgegner in der späteren Zwangsvollstreckung zu dulden hat. Wegen des Grundsatzes des Art. 103 Abs. 2 GG muss der Verstoß, der ein Ordnungsgeld nach sich ziehen kann, hinreichend deutlich gemacht werden.
2. Das charakteristische der zu unterlassenden Handlung muss so eindeutig beschrieben werden, dass keine Unklarheit besteht, welche Fälle betroffen sind. Wie bei der individualrechtlichen arbeitsrechtlichen Abmahnung muss die Maßnahme derart konkret unterschrieben sein, dass der stattgegebenen Entscheidung zu entnehmen ist, wann im jeweiligen Einzelfall die Rechte des Betriebsrats gegeben sind. Der Betriebsrat muss, soll der Antrag zulässig sein, darin aufnehmen in welchen einzelnen Bereichen er die Mitbestimmung vermisst, welche Personen bei welchen Sachverhalten wann Mehrarbeit leisten und weshalb dort die Mitbestimmung erforderlich ist.
3. Will der Betriebsrat seinen Unterlassungsantrag auf „kollektiv bezogene Mehrarbeit” eingrenzen, dient der Zusatz dann, wenn keine konkreten Fallgestaltungen dem Antrag beigefügt werden, tatsächlich der Verstärkung der Unbestimmtheit seines Verlangens, denn er hat mit dem abstrakten Begriff eine zusätzliche Fragestellung im Erkenntnisverfahren eingefügt.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 2; ZPO §§ 704, 890; BetrVG § 23 Abs. 3, § 87 Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
ArbG Neumünster (Entscheidung vom 09.08.2001; Aktenzeichen 1 BV 72 c/99) |
Tenor
Auf die Beschwerde der antragsgegnerischen Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Neumünster vom 9. August 2000 – 1 Bv 72 c/99 – abgeändert.
Der Antrag des antragstellenden Betriebsrats wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Beachtung der Mitbestimmungsrechte im Arbeitszeitbereich bezüglich Überstunden/Mehrarbeit.
Die Arbeitgeberin, Beteiligte zu 2., beschäftigt in ihrem Betrieb in N. rund 350 Arbeitnehmer. Bei dem Beteiligten zu 1. handelt es sich um den bei der Beteiligten zu 2. gebildeten Betriebsrat. Die Beteiligte zu 2. wendet in ihrem Betrieb den Rahmentarifvertrag über eine flexible Arbeitszeitregelung an, der am 21. August 1989 zwischen der S. -S. GmbH & Co und der IG-Metall Bezirksleitung Hamburg Bezirk Küste (im Folgenden RTV genannt) vereinbart worden ist. Die Tarifpartner haben in Nr. 1 RTV vereinbart, dass der Tarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer und die unmittelbar an dem Produktionsprozess gebundenen tariflichen Angestellten (Arbeitsvorbereiter, tarifliche Inselgruppenleiter) der Firma S. -S. GmbH & Co entsprechend § 1 Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten der Metallindustrie Hamburg und Umgebung sowie Schleswig-Holstein in der Fassung vom 3. Februar 1997 und 23. Juni 1998 gilt. Die Tarifpartner haben weiterhin unter 3. Rahmenbedingungen vereinbart, die unter anderem dahingehen:
„3.1Arbeitszeitrahmen
Grundlage der jeweiligen betrieblichen Arbeitszeitregelungen von Montag bis Freitag ist die tarifliche regelmäßige Arbeitszeit von 35 Stunden in den Woche.
Der Arbeitszeitrahmen reicht in der Regel von Sonntag 23.05 Uhr bis Freitag 20.05 Uhr. Entsprechend der erforderlichen Kapazität und des vorhandenen Arbeitsvolumens kann dieser Arbeitszeitrahmen auf Sonntag 22.00 Uhr bis Samstag 22.00 Uhr erweitert werden. Darüber hinaus kann im Rahmen der erforderlichen Kapazität nach Absprache mit der Gruppe die erste und die letzte Schicht in der Woche auf 10 Stunden erweitert werden.
Von jedem/jeder Mitarbeiter/in bei einem Arbeitsplatz mit 1 bis 3 Mitarbeitern/Schichtarbeitsplatz werden im Quartal nicht mehr als 5 Samstagsschichten eingebracht, jährlich höchstens 18.
Die von dem Unternehmen vorgelegte Kapazitätsplanung ist jeweils für den darauffolgenden Monat verbindlich.
Darüberhinaus besteht die Möglichkeit, in besonderen Fällen, wie z. B. geplanten Investitionen, Produktumstellungen oder nicht vorhergesehener Kapazitätsbedarf ein Schichtmodell („4. Mann”) unter Einbeziehung des Samstages, jedoch nicht dauerhaft und flächendeckend, einzuführen. Die Notwendigkeit ist durch eine verständliche Projekt- oder Kapazitätsplanung nachzuweisen.
Über die Einführung dieser Regelung ist zwischen Unternehmen und Betriebsrat eine einvernehmliche Lösung herbeizuführen.
Es besteht Einvernehmen darüber, daß zunächst alle Flexibilisierungsmöglichkeiten montags bis freitags genutzt werden sollen, bevor die Arbeitszeitflexibilität auf den Samstag ausgedehnt wird.
Die Arbeitszeitplanung (u. a. Schichtpläne) wird durch die Mitarbeiter/innen/Teams selbst vorgenommen...