Entscheidungsstichwort (Thema)

Zwangsvollstreckung. Haftbefehl. Herausgabe von Arbeitspapieren. Verlorene Arbeitspapiere. Arbeitsplatzverlust und Zwangshaft

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Dem Erlass eines Haftbefehls wegen Nichtherausgabe von Arbeitspapieren im Rahmen der Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO steht nicht entgegen, dass dem vormaligen Arbeitgeber die Unterlagen verloren gegangen sind, wenn es ihm nach Anforderung neuer Vordrucke und Informationen von den Sozialversicherungsträgern und auf der Grundlage der Angaben eines abgeschlossenen Vergleichs weiterhin möglich ist, seiner Pflicht zur Herausgabe von Arbeitspapieren nachzukommen.

2. Zwangshaft ist auch dann anzuordnen, wenn dem Schuldner bei Antritt der Zwangshaft der Verlust seines Arbeitsplatzes droht.

 

Normenkette

ZPO § 794 Abs. 1 Nr. 1, § 888; SGB III § 312

 

Verfahrensgang

ArbG Neumünster (Beschluss vom 24.07.2009; Aktenzeichen 4 Ca 665 a/07)

 

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Neumünster vom 24.07.2009 – 4 Ca 665 a/07 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Der Beklagte wendet sich gegen einen Haftbefehl. Er hat sich am 12.06.2007 in einem Vergleich verpflichtet,

„… die Arbeitspapiere des Klägers, bestehend aus Arbeitsbescheinigung gemäß § 312 SGB III sowie Sozialversicherungsnachweis und Urlaubsnachweiskarte und die Lohnsteuerbescheinigung nach Maßgabe dieses Vergleichs ausgefüllt an den Kläger herauszugeben sowie die Lohnsteuerkarte herauszugeben”.

Der Beklagte kam seiner im Vergleich übernommenen Verpflichtung zur Herausgabe der Arbeitspapiere nicht nach. Die Festsetzung eines Zwangsgeldes von 600,00 EUR blieb erfolglos. Am 02.05.2008 beantragte der Kläger die Erteilung eines Haftbefehls. Mit Haftbefehl vom 21.05.2008 setzte das Arbeitsgericht drei Tage Zwangshaft gegen den Beklagten fest (Bl. 49 f. d. A.). Diesen Haftbefehl hob das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 06.02.2009 wieder auf. Gegen diesen Beschluss wiederum legte der Kläger sofortige Beschwerde ein. Auf die Beschwerde hob die erkennende Kammer den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 06.02.2009 auf mit der Maßgabe, dass das Arbeitsgericht erneut über den Antrag des Klägers auf Erteilung eines Haftbefehls unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts entscheiden möge (Beschluss vom 08.04.2009 – 6 Ta 51/09 – = Bl. 65 ff. d. A.).

Nachdem der Beklagte seiner Verpflichtung aus dem Vergleich weiterhin nicht nachkam, bat der Kläger mit Schriftsatz vom 02.07.2009 erneut um Erlass eines Haftbefehls. Diesen erließ das Arbeitsgericht am 24.07.2009. Es setzte drei Tage Zwangshaft fest, weil der Beklagte der mit Vergleich vom 12.06.2007 übernommenen Verpflichtung, die Arbeitspapiere des Klägers, bestehend aus Arbeitsbescheinigung gemäß § 312 SGB III sowie Sozialversicherungsnachweis und Urlaubsnachweiskarte und die Lohnsteuerbescheinigung, ausgefüllt an den Kläger herauszugeben, auch innerhalb der gestellten Nachfrist nicht nachgekommen ist. Gegen diesen ihm am 29.07.2009 zugestellten Beschluss hat der Beklagte am 12.08.2009 Beschwerde eingelegt. Er beruft sich darauf, die Arbeitspapiere befänden sich nicht in seinem Besitz. Er müsse davon ausgehen, diese Papiere nicht vom Kläger erhalten zu haben. Eine Gehaltsabrechnung und Arbeitsbescheinigung werde sofort ausgestellt, wenn der Kläger die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden nachweise.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein zur Entscheidung vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat den Haftbefehl vom 24.07.2009 zu Recht erlassen. Der Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, ihm sei die Herausgabe der im Tenor des Haftbefehls genannten Arbeitspapiere unmöglich.

1. Richtig ist, dass keine Zwangsmaßnahmen mehr verhängt werden dürfen, wenn feststeht, dass dem Schuldner die Vornahme der geschuldeten Handlung unmöglich ist (Zöller/Stöber, ZPO 28. Aufl. § 888 Rn. 11 m. w. N.). Dahinter steht der Gedanke, dass von niemandem „Unmögliches” verlangt werden kann. Die Unmöglichkeit muss aber feststehen. Solange es dem Schuldner tatsächlich möglich ist, die geschuldeten Handlungen vorzunehmen, muss er die erforderlichen Anstrengungen unternehmen. Dazu gehört es ggf. auch, die Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen.

2. Der Beschwerdebegründung kann nicht entnommen werden, dass dem Beklagten die Herausgabe der Arbeitsbescheinigung, des Sozialversicherungsnachweises, der Urlaubsnachweiskarte und der Lohnsteuerbescheinigung unmöglich ist.

a. Die Arbeitsbescheinigung gemäß § 312 SGB III hat der Arbeitgeber auf dem von der Bundesagentur vorgesehenen Vordruck zu fertigen. Er muss die Tatsachen, die für die Entscheidung über den Arbeitslosengeldanspruch erheblich sein können, bescheinigen und diese Arbeitsbescheinigung dem Arbeitnehmer aushändigen. Das bedeutet, dass der Beklagte nicht mit Erfolg geltend machen kann, ihm sei diese Verpflichtung we...

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