Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordnungsgeld. Partei. Nichterscheinen. Prozessbevollmächtigter. Zurückweisung
Leitsatz (redaktionell)
1. Gegen die nicht erschienene Partei, deren persönliches Erscheinen vom Gericht „zur Aufklärung des Sachverhalts und zur Herbeiführung einer gütlichen Einigung” angeordnet war, kann auch dann ein Ordnungsgeld festgesetzt werden, wenn der für sie erschienene Prozessbevollmächtigte nicht nach § 51 Abs 2 ArbGG zurückgewiesen wurde. Die Zurückweisung des Prozessbevollmächtigten und das Ordnungsgeld gegen die nicht erschienene Partei stehen unabhängig nebeneinander.
2. Ein prozessbevollmächtigter Rechtsanwalt kann regelmäßig nicht als unterrichteter Vertreter nach § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO angesehen werden. Er verfügt i. A. nicht über unmittelbare eigene Sachkenntnis.
Normenkette
ArbGG § 51 Abs. 1-2; ZPO § 141 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Beschluss vom 22.10.2003; Aktenzeichen 4 Ca 3114/03) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Geschäftsführers der Beklagten, M. W., Am S., gegen den Ordnungsgeldbeschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 22.10.2003 – 4 Ca 3114/03 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen ein Ordnungsgeld.
Mit der am 15.09.2003 erhobenen Klage hat der Kläger Feststellung verlangt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht zum 01.09.2002 geendet hat. Das Arbeitsgericht hat Termin zur Güteverhandlung auf den 29.09.2003 bestimmt und das persönliche Erscheinen des Klägers sowie des Geschäftsführers der Beklagten M. W. zur Aufklärung des Sachverhalts und zur gütlichen Einigung angeordnet. Auf Antrag der Beklagten ist der Termin unter Beibehalt der Anordnung des persönlichen Erscheinens verlegt worden auf den 22.10.2003. Im Termin vom 22.10.2003 erschien der persönlich geladene Geschäftsführer der Beklagten nicht. Das Arbeitsgericht hat deshalb mit Beschluss vom 22.10.2003 gegen ihn ein Ordnungsgeld von 200 EUR festgesetzt. Dieser Beschluss ist am 05.11.2003 zugestellt worden. Hiergegen richtet sich die am 05.11.2003 mit Fax und 07.11.2003 im Original eingelegte Beschwerde, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.
Der Beschwerdeführer trägt vor, der Prozessbevollmächtigte der Beklagten, Rechtsanwalt E., sei als Vertreter entsandt worden und auch bevollmächtigt gewesen, einen Vergleich abzuschließen. Die Voraussetzungen für eine Ablehnung nach § 51 Abs. 2 S. 1 ArbGG hätten offensichtlich nicht vorgelegen. Zunächst sei die Sach- und Rechtslage erörtert worden. Erst als der erschienene Prozessbevollmächtigte den Abschluss eines Vergleichs mit der Begründung abgelehnt habe, er halte den Tarifvertrag aufgrund betrieblicher Übung für anwendbar, habe das Gericht das Ordnungsgeld verhängt. Das Gericht hätte zuvor die Zulassung des Prozessbevollmächtigten ablehnen müssen.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze mit Anlagen und Erklärungen zu Protokoll, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde hat nicht Erfolg. Vielmehr war das Arbeitsgericht berechtigt, gegen den persönlich geladenen Geschäftsführer der Beklagten, der ohne Begründung ausgeblieben ist, ein Ordnungsgeld zu verhängen.
Gemäß § 51 Abs. 1 ArbGG kann der Vorsitzende das persönliche Erscheinen der Parteien in jeder Lage des Rechtsstreits anordnen. Im Übrigen finden die Vorschriften des § 141 Abs. 2 u. 3 ZPO entsprechende Anwendung. Nach § 141 Abs. 3 ZPO kann gegen die Partei, die im Termin ausbleibt, ein Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienen Zeugen festgesetzt werden. Dies gilt nicht, wenn die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsschluss ermächtigt ist. Die Voraussetzungen, hiernach von der Verhängung eines Ordnungsgeldes abzusehen, lagen, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht vor. Der Prozessbevollmächtigte einer Partei ist regelmäßig nicht als Vertreter i. S. d. § 141 Abs. 3 ZPO anzusehen, da er i.d.R. nicht unmittelbar über eigene Sachkenntnis verfügt (Germelmann/Matthes/Prütting(Müller-Glöge, Rn. 20 zu § 51 ArbGG).
Wie das Arbeitsgericht ausgeführt hat, ist der Zweck der Anordnung durch das Fernbleiben der Partei vereitelt worden. Entsprechend dem Nichtabhilfebeschluss war der Prozessbevollmächtigte der Beklagte nicht in der Lage, Einzelheiten dazu anzugeben, warum ein bestimmter Tarifvertrag anzuwenden sein sollte. Das Schlagwort „Betriebliche Übung” kann hier nicht ausreichen. Zweck der Güteverhandlung ist nach § 54 ArbGG, das gesamte Streitverhältnis mit den Parteien unter freier Würdigung aller Umstände zu erörtern. Ziel ist eine gütliche Einigung der Parteien. Dafür ist es unerlässlich, dass die Parteien vorbereitet sind. Hält ein Vorsitzender das persönliche Erscheinen einer Partei zur Aufklärung des Sachverhaltes für erforderlich, so muss, um den Anforderungen des § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO zu...