REVISION / RECHTSBESCHWERDE / REVISIONSBESCHWERDE ZUGELASSEN NEIN
Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozeßkostenhilfe. Besondere Belastungen. Absetzbarkeit. Zins- und Tilgungsbelastungen
Leitsatz (amtlich)
Kreditverpflichtungen sind in der Regel dann als „besondere Belastungen” im Sinne von § 115 Abs. 1 S. 3 Hs. 2 ZPO von den Einkünften der Partei abzusetzen, wenn sie im Rahmen einer allgemein üblichen und vertretbaren Lebensführung entstanden und nicht in Kenntnis des bevorstehenden Prozesses eingegangen sind. Darauf, ob die Partei sich böswillig arm gemacht hat, ist nicht abzustellen.
Normenkette
ZPO § 115 Abs. 1 S. 3 Hs. 2
Verfahrensgang
ArbG Kiel (Beschluss vom 19.12.1988; Aktenzeichen 1c Ca 1790/88) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Bewilligungsbeschluß des Arbeitsgerichts Kiel vom 19.12.1988 hinsichtlich der Zahlungsbestimmung dahingehend geändert, daß die Verpflichtung zur Ratenzahlung entfällt.
Tatbestand
I.
Mit seiner am 05.12.1988 eingegangenen Leistungsklage beantragte der Kläger die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe und reichte eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissee in.
Im Gütetermin am 19.12. bewilligte das Arbeitsgericht dem Kläger Prozeßkostenhilfe mit monatlicher Ratenzahlung von 60,– DM.
Am 22.12. legte der Kläger gegen die Anordnung von Ratenzahlungen Beschwerde mit der Begründung ein, daß die von ihm aufzubringenden Kreditraten von 189,– DM monatlich zu berücksichtigen seien; dieser Kredit habe der Ablösung eines Kredits und einer Kontoüberziehung auf seinem Girokonto gedient; bevor der Kläger die Arbeitsstelle bei dem Beklagten angetreten habe, sei er etwa ein halbes Jahr arbeitslos gewesen und habe in dieser Zeit zur Erfüllung seiner laufenden Verpflichtungen den Dispositionskredit auf seinem Girokonto in Anspruch nehmen müssen, so daß dort eine ganz erhebliche Überziehung in der Größenordnung von etwa 4.000,– DM aufgelaufen gewesen sei. Deshalb habe die Bank darauf gedrängt, daß die Kontoüberziehung und der vorhandene Kredit von etwa 3.000,– DM abgelöst und zu einem einheitlichen Kreditvertrag zusammengefaßt würden. Wegen der noch jahrelang laufenden Raten von monatlich 189,– DM hätte eine Ratenzahlungsanordnung nicht ergehen dürfen.
Das Arbeitsgericht hat durch Beschluß vom 23.12.1988 der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Auf den Inhalt des Nichtabhilfebeschlusses wird verwiesen.
Ergänzend wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die nach § 127 Abs. 2 ZPO zulässige Beschwerde ist begründet. Der Kläger ist angesichts seiner wirtschaftlichen Verhältnisse nicht verpflichtet, die Kosten der Prozeßführung in monatlichen Raten abzutragen; denn sein nach § 115 ZPO einzusetzendes Einkommen liegt mit 837,84 DM unterhalb des niedrigsten Satzes der Tabelle zu § 114 ZPO. Nach seinen Angaben in seiner Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bezieht der Kläger seit dem 31. Oktober 1988 Arbeitslosengeld in Höhe von 238,80 DM wöchentlich (= 1.026,84 DM monatlich). An die Kieler Spar- und Leihkasse hat er für einen noch in Höhe von ca. 6.000,– DM offenen Kredit monatliche Raten von 189,– DM zu zahlen, die in voller Höhe als einkommensmindernde Belastung anzurechnen sind. Das monatlich verfügbare Einkommen des Klägers beläuft sich daher auf 837,84 DM.
1. Um das verfügbare Einkommen zu ermitteln, wird gemäß § 115 Abs. 1 S. 3 Halbs. 1 ZPO zunächst auf § 76 Abs. 2 BSHG abgestellt: Danach sind vom Bruttoeinkommen die dort näher bezeichneten Abzüge vorzunehmen, nämlich einkommensbezogene Steuern, Versicherungspflichtbeiträge, angemessene sonstige Versicherungsbeiträge sowie Ausgaben, die zur Einkommenserzielung erforderlich waren. Darüber hinaus sind jedoch nach § 115 Abs. 1 S 3. Halbs. 2 ZPO „weitere Beträge abzusetzen, soweit dies mit Rücksicht auf besondere Belastungen angemessen ist”. Welche besonderen Belastungen hier in Frage kommen, ist im Gesetz nicht näher erläutert, ebensowenig, wann der Abzug angemessen ist.
a) Nach den Materialien – Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung, BT-Drucksache 8/3068, S. 25 – stellt diese „Härteklausel” eine Ausprägung des Grundsatzes der Prozeßkostenhilfe dar:
„Der Antragsteller soll sich in seiner Lebensführung nicht wesentlich einschränken müssen, um den Prozeß zu ermöglichen. Unter sonstigen besonderen Belastungen … sind solche i. S. d. § 84 Abs. 1 des Bundessozialhilfegesetzes zu verstehen. Als solche können im Einzelfall in Betracht kommen: Schuldverpflichtungen, insbesondere Abzahlungsverpflichtungen, die ein gegangen worden sind, bevor sich die Notwendigkeit, einen Prozeß zu führen, abzeichnete, Belastungen im Zusammenhang mit Familienereignissen (z. B. Geburt, Heirat, Tod), Aufwendungen für die Beschaffung oder Erhaltung der Unterkunft (z. B. Tilgungsbeträge, Abtragung von Mietrückständen, Zahlungen an Bausparkassen), Aufwendungen für Fort- und Weiterbildung.”
§ 84 Abs. 1 BSHG enthält den Begriff „besondere Belastung...